Für die Bewohner der Altstadt ist
die Situation gerade wieder einmal voll behämmert, im wahrsten Sinne des Wortes.
Von früh bis spät klingen das Gekläpper der Schieferklopfer, das Rasseln der
Splitter auf dem bereits gedeckten Dach,
die herrlich weittragende Resonanz der Gerüste, wenn der Handwerker mal
wieder ein Werkzeug gegen ein Rohr schlägt und nicht zuletzt die
geschmackssichere Darbietung Deutschen Liedguts vom Sender für die sportliche
Familie ab 80 (HR4) über die mittelalterlichen Profanbauten. Und weil das alles
nicht reicht, wird natürlich gleichzeitig die alte Diözesanbibliothek gedeckt, mit zugehörigem, periodischen Verkehrschaos.
Stereo-Gehämmer: Linker Kanal |
Stereo nennt man den Effekt sei
den 60er Jahren.
Die Stadt als Eigentümer des
Schlosses hat sich unlängst zu einer kleinen Presserklärung herabgelassen und
ein paar Worte zum Wesen der Arbeiten abgesondert und berichtet, was dort getan
wird und im folgenden Jahr getan werden soll.
Für WEN all der Aufwand betrieben
wird, wurde wohlweislich jedoch verschwiegen. Die neue Baustelle hinter dem Dom
ist nämlich ein kommunaler Scheinriese. Soll heißen, je näher man dem Schloss kommt,
desto kleiner wird der Anteil, der am Ende der komplexen Baumaßnahmen für
Belange der Stadt Limburg zur Verfügung steht oder gar für deren Bürger.
Geschätzte 80% der Gelder, die die Kommune investieren will, dienen nämlich nur
einem einzigen Zweck. Es werden luxuriöse und geradezu über alle Bedürfnisse
hinaus konzipierte Räume für „die Chöre“ des Bistums Limburg errichtet,
ausgebaut und ausgestattet, ohne dass der Nutznießer auch nur einen Cent zu den
Kosten der Bauarbeiten beiträgt.
Allenfalls eine „Kostenmiete“
soll einmal erhoben werden. Doch in welcher Höhe die in unbestimmter Zukunft entrichtet werden
soll, ab welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise ebendiese ermittelt und
in welchem Vertragswerk sie festgeschrieben ist oder werden soll, darüber
schweigt sich die Stadt Limburg in bekannter Weise aus.
Im Licht der aktuellen Ereignisse
ist der gesamte Vorgang geradezu grotesk, leider jedoch symptomatisch für das
Verhältnis zwischen Kirche und öffentlicher Hand.
Kosten werden sozialisiert,
Gewinne bleiben im Vermögen des Klerus.
Nur einen Steinwurf vom Schloss
entfernt liegt eine nagelneue Immobilie, die Tausende von Quadratmetern Platz
bietet, Sozial- und Sanitärräume in Vollendung und Geschlechtertrennung birgt,
dazu nicht nur Einzelzellen für jedwede musikalische Aktivität bietet, sondern
darüber hinaus einen Chorraum in akustischer Perfektion und ggf. mit
deckenhängenden Notenhaltern („Privatkapelle“) beinhaltet, in dem es sich in
voller Mannschaftsstärke trefflich singen lässt.
Darüber hinaus ist dieser
klerikale Bau in Fußweite des Doms, so dass es nach dem Stimmenwärmen nur ein
kurzer Weg bis zur Vorstellung wäre.
Gibt es überhaupt bessere
Voraussetzungen für ein Zentrum für christliche Chormusik?
Und werden nicht alle möglichen
Pläne geschmiedet und teils absurde Nutzungsmöglichkeiten des einst größenwahnsinnigen
Projekts diskutiert?
Im Augenblick weiß niemand etwas
mit dem Protzpalast des Bischofs anzufangen.
Der Domchor benötigt
Räumlichkeiten, die auf seine Bedürfnisse hin zugeschnitten sind.
Solche Räume befinden sich in
unmittelbarer Nähe im Eigentum des Bistums.
Eine naheliegendere und sinnvollere
Lösung, als die Chöre genau dort unterzubringen, wird man kaum finden.
Und was passiert?
Nichts.
GAR NICHTS.
Rechter Kanal |
Kein Mensch kommt auf die Idee zu
fragen, warum der Steuerzahler, sei er katholisch oder nicht, Millionen
aufbringen muss, um ein Domizil nahezu ausschließlich für den Domchor und
andere zu errichten, wenn gleichzeitig mehr als genug Platz in unmittelbarer
Nähe zur Verfügung steht.
Niemand tritt hier einmal auf die
Bremse und stoppt diese hemmungslose Verschwendung öffentlicher Gelder.
Und selbst wenn „die Chöre“
unbedingt im Schloss bleiben müssen, warum ist das Bistum dann nicht in der
Pflicht, gefälligst selbst die Kosten für die Umbauten zu tragen? Sogar nach
der grossmannssüchtigen architektonischen Kassenplünderung durch den Bauernsohn
im Seidenkleid ist die Kasse des Bischöflichen Stuhls noch mit guten 80
Millionen Euro an Vermögen gefüllt.
Die Baumaßnahmen für den Chor am
Schloss werden wohl unter 5 Millionen liegen, wären also nicht einmal von Rom bzw.
der Deutschen Bischofskonferenz zu genehmigen, sollten sie aus der reichgefüllten
Schatzkammer finanziert werden.
Aber dies sind Forderungen, die
die klerikalhörige Politik nicht einmal zu denken wagt. Dabei wäre es höchste Zeit,
sich gerade im Licht der jüngsten Skandale endlich einmal auch liebgewonnene
Traditionen genauer anzuschauen. Eine davon ist: Das Bischöfliche Ordinariat
bzw. der Bischof fordern, Bürgermeister, Magistrat und Stadtverordnete nicken
und werden gesegnet. Vielleicht.
Das ist seit Jahrzehnten so.
Richtig war es deshalb noch nie.
Der nach wie vor nominelle
Bischof von Limburg muss nun Rechenschaft ablegen über die Gelder, die er für
seine privaten Bauten ausgegeben hat.
Höchste Zeit, dass die Stadt
Limburg genauso in die Pflicht genommen wird und endlich einmal jemand an
der richtigen Stelle und der erforderlichen Hartnäckigkeit zu fragen traut, wieviel Geld aus der Stadtkasse auf den
Domberg wandert.
Immer wieder.