Mittwoch, 9. Dezember 2015

Von denen die auszogen, um den Notruf zu wählen

In meiner Umfrage zur Erreichbarkeit des Notrufs 110 in Limburg gab es am Ende eine Rubrik, in der jeder Teilnehmer Bemerkungen machen konnte.
Was dort geschrieben wurde illustriert die Situation der Anrufer noch einmal deutlich.
In ihrer minimalistischen Stellungnahme zum Umfrageergebnis hat die Pressestelle der Limburger Polizei angegeben, dass es keine Probleme mit der 110 gäbe.
Die Schilderungen sprechen eine ganz andere Sprache.
Ich werde diese Mitteilungen ebenfalls vollständig an die Polizei Limburg senden und um konkrete Stellungnahmen ersuchen.
Ich bin sehr gespannt, ob man diese auch wieder ausschließlich mit "ja", "nein" erschöpfend zu beantworten gedenkt.
Hier die Äußerungen Betroffener im Rahmen der Umfrage.
 
Wir mussten länger als 30 Minuten warten

Ich würde den Notruf abschalten bei der Polizei kommst du eh ned durch und wenn ist keine Steife frei hör ich sau oft Naja kann man ja verstehen die müssen ja im TV rum hopsen hat man weniger zeit. 110 die Männer die man ruft 112 die Männer die auch kommen

Ich selbst habe ihn noch nie beansprucht. Allerdings hatte ich mal einen Autounfall mit Überschlag und wie Passanten haben angerufen. Die Polizei war innerhalb von 5-10 Min da (eher 5 denn 10).

Nachdem ich (als Frau und allein!) gegen 2h nachts 3 Männer davon abgehalten hatte, einen vierten krankenhausreif zu schlagen, den Notruf der Limburger Polizei wählte und mir zugesichert wurde, dass ein Streifenwagen auf dem Weg sei, habe ich nach 45 Minuten Warten den Tatort verlassen (Täter und Opfer waren bereits verschwunden). Nach weiteren 30 Minuten erhielt ich einen Anruf der Leitstelle, wo ich denn sei und den dreisten Hinweis, beim nächsten mal hart arbeitende Menschen nicht mehr zu behelligen. Seitdem hoffe ich, in Limburg niemals selbst polizeiliche Hilfe zu benötigen.

Sehr schwache Leistung erst beim dritten Anruf jemand ans Telefon zu bekommen und dann noch so lange zu brauchen bis eine Streife kommt

ich wurde an die Bundespolizei verwiesen weil die Dame am tel. keine lust hatte mir zu helfen und ich sollte mir selber die tel.nr. aus dem Internet suchen

Ich hatte einen Wildunfall am späten Abend und war alleine unterwegs (w25). Die Dame von der Polizei, mit der ich telefonierte, war unfreundlichen/genervt, hetzte mich bei meiner Unfallschilderung und Durchgabe meiner Daten, würgte mich dann ab, weil Sie für sowas jetzt keine Zeit hätte, sie würde mich dann später zurückrufen. Nach längerem Warten wurde ich von ihr zurückgerufen, mir wurde mitgeteilt Sie hätten jetzt für sowas unwichtiges keine Streife frei bzw würde es sehr lange dauern bis eine frei wäre und ich solle doch am nächsten Tag mit dem Unfallwagen zur Polizeidienstelle (in Diez) kommen, damit man mir die Wildunfall-bescheinigung ausstellen könne. Ich erklärte, dass mein Auto nicht mehr fahrtüchtige und verkehrssicher ist, was aber völlig ignoriert wurde.

Sollte generell besser werden und schnellere Hilfe in bestimmten Situationen

Krankenwagen kam aber die Polizei wollte nicht kommen

ein Verkehrsunfall, bei dem nur Blechschaden aufzunehmen ist, ist kein Notruf und sollte separat abgewickelt werden können, ohne 110 zu blockieren

Dein Freund und Helfer-der sollte immer Dasein und nicht genervt sein wenn man um Hilfe bittet!

Was ist aus den Worten. "Dein Freund und Helfer", geworden.

Die Polizei Limburg (und auch die Diezer) beweisen mir immer wieder, dass Selbstjustiz die bessere Wahl wäre.

Anruf kann man sich sparen!

Mir wurde gesagt es ist keine streife frei, Sie hätten besseres Zutun. 2 min später kam ein Streifenwagen an der Unfallstelle VORBEI GEFAHREN. Sie sahen nicht gestresst aus und sind locker mit 30km/h an meinem Totalschaden VORBEI GEFAHREN!!

Ich wurde gefragt, wie hoch der Sachschaden wäre, unter 5.000 Euro würden sie nicht rausfahren. Habe ihnen mitgeteilt, dass ich kein Sachverständiger bin und die Schadenshöhe deswegen nicht beziffern kann und sie deswegen bitte jemand schicken sollten.

Vor ca. 3 Monaten habe ich bei der Polizei (Limburg am Bahnhof) angerufen dort wartete ich bis einer das Gespräch abgenommen hat. Dies dauerte und wurde direkt an einen anderen Kollegen weiter geleitet und das dann noch 2 weitere male bis die meinten das ich falsch verbunden wäre. Da es um einen Notfall ging rief ich die 110 und forderte eine Streife an. Gewartet hatten wir ca 25 -35 min. Bis diese eintraf. Bei meiner Zeugen Aussage sprach ich dies bei den Beamten auf dem Revier an und diese wollten es überprüfen. Informationen liegen mir bis heute nicht vor wieso diese nicht schneller gehandelt haben.

dies war mein einziger Notruf bei der Polizei, zum Glück habe ich den Notruf bislang nicht weiter benutzen müssen.

Trotz Zusage kam keine Streife.

Polizei in Montabaur hinterlässt einen kompetenteren Eindruck als in Limburg. Beamte sind immer ansprechbar, höflich und hilfsbereit. Hatte bisher noch nicht den Eindruck zu stören, im Gegensatz zu Limburg

vor 8 Jahren in einer anderen angelegenheit als ich den Notruf tätige und um Hilfe bat kam trotz Zusage kein Streifenwagen :(

Als wir eine Opferbeschreibung abgegeben haben, hat sich der Beamte am Telefon erst mal gewundert, warum der am liegende nur ein T-Shirt anhat. Es wäre doch kalt. Als die Polizei am Tatort ankam, hat sie nichts unternommen, den ziemlich Schwerverletzten und Frierenden zu helfen. Obwohl der Mann stark geblutet hat und wie schon mal festgestellt, es ziemlich kalt war. Nach ca 10 Minuten kam dann der Rettungswagen.

Ich hatte eine Schlägerei unter meinem Fenster in der Altstadt melden wollen. Nach ca 15 Minuten in der Warteschleife hatte ich aufgelegt

ch verweise auf meinen Kommentar bei dom-zoo-limburg zu dem Foto mit dem Rettungswagen, der aufgrund eines städtischen Fahrzeuges, dass den Weg blockierte nicht zu der Patientin gelangen konnte.Ergänzend möchte ich noch folgendes hinzufügen: Die Polizei wurde zum ersten Mal über Notruf von einem Café am Kornmarkt über den Zustand der schwer psyschich erkrankten Frau am20.11. abends informiert. Die dringend benötigte Hilfe wurde ihr nicht gewährt. Daraufhin irrte sie offensichtlich in nicht der Witterung angepasster Kleidung hilflos durch die Stadt bis sie am 21.11.15 morgens um 6:30 vor dem gleichen Café wieder aufgefunden wurde. Die um 7:30 wieder alarmierte Polizei sah keinen Handlungsbedarf und keine Gefährdung. Die Hilfe wurde ihr verweigert. Die Situation eskalierte. Mehrere Menschen waren daran beteiligt für Hilfe zu sorgen - vergeblich. Ich versuchte über verschiedene Notrufnummern und über ein Krankenhaus Hilfe zu bekommen. Bei der 110 wurde mir lapidar erklärt, dass zwei Polizisten am Morgen keine Gefährdung festgestellt hätten und aufgrund dieser "Diagnose" die Hilfe verweigert. Erfolg hatte ich endlich gegen 11:20 beim Notruf 3344. Die beiden Sanitäter kamen zu meinem Erstaunen zu Fuß. Als wir schließlich mit der Patientin den Krankenwagen erreicht hatten, sah ich auch den Grund für den der Patientin zugemuteten Fußweg.Der Weg war durch ein städtisches Fahrzeug versperrt, da es offensichtlich wichtiger war die Weihnachtsbeleuchtung aufzuhängen als einem Krankenwagen die Durchfahrt frei zu machen. Im Krankenwagen konnte sich dann endlich medizinisch um die Patientin gekümmert werden während wir lange auf die Polizei warten mussten, denn deren Anwesenheit war angeblich nötig, da das die Gesetzeslage verlange. Um 12:00 Uhr konnte der Krankenwagen dann endlich mit der Patientin losfahren, sodass sie sich jetzt endlich in ärztlicher Behandlung befindet. Wie ich aber am Sonntag bei einem Besuch festellen musste hat sie inzwischen eine schwere Erkältung, was mit Sicherheit auf das nächtliche Umherirren ohne adäquate Kleidung zurückzuführen ist. Wenn man in Limburg an einem Wochende oder außerhalb der üblichen Dienstzeiten erkrankt, dann hat man Pech gehabt!

Ich habe den Notruf schon mehrfach genutzt. In den wenigsten Fällen war der Gesprächspartner freundlich.



Es war ein Sonntag in Limburg, ich konnte beobachten wie ca. 10 minderjährige an der Unterführung nahe des Tal Josaphat Drogen und Alkohol zu sich nahmen. Ich wählte die 110 und landete in der Warteschleife. Nach einiger Zeit war das "Gespräch" beendet. Auch zwei weitere Versuche brachten nichts. Zum Glück war es nichts "Akutes" wobei ich 8 bis 12 jährige, die Drogen und Alkohol zu sich nehmen auch als Akut ansehe.

Ich hätte mir den Anruf sparen können. Bis die Streife kam, war der Täter über alle Berge. Beim nächsten Mal werde ich selbst die Verfolgung aufnehmen und erst dann anrufen, wenn ich den Täter eindeutig identifiziert habe.

Ich habe einen Wildunfall gemeldet. Da der Wagen noch fahrbereit war und niemand verletzt wurde war die Aufforderung am nächsten Morgen den Vorfall auf der Wache zu Protokoll zu geben angemessen und ausreichend.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

"Sie haben den Notruf der Polizei erreicht..."

Immer wieder habe ich Klagen darüber gehört, dass es gar keinen Zweck hätte, in Limburg die 110 anzurufen, denn man würde von dort sowieso keine Hilfe bekommen. Einige konnten berichten, dass sie die Auskunft erhalten hätten, man hätte gerade keine Streife zur Verfügung. Von Abwimmeln war die Rede oder "wegen sowas kommen wir nicht".
Um dieser Unzufriedenheit ein wenig auf den Grund zu gehen, habe ich eine Umfrage durchgeführt, die sich mit dem Thema Notruf 110 befasst.
Die Ergebnisse erheben keinen Anspruch darauf, repräsentativ zu sein. Das ist mit den gewählten Mitteln nicht zu leisten. Trotzdem sind die Resultate geeignet, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, und allgemeines Gerede über wenigestens eine gewisse Zahl von Fakten und Daten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
Auf jeden Fall sind die Zahlen sehr interessant. Ich werde sie der Polizei Limburg übermitteln, einige konkrete Fragen dazu stellen und um eine Stellungnahme bitten.
Zu den Antworten im Einzelnen.

Die Beteiligung an der Umfrage war leider nicht wie erhofft, doch die Gesamtzahl von 166 Teilnehmern ist groß genug, um bestimmte Tendenzen erkennen zu können.



Mehr als ein Drittel der Anrufe betrafen Verkehrsunfälle, was zu erwarten war. Überraschend hoch ist aber der Anteil der "sonstigen" Gründe. Ich war der Ansicht gewesen, ich hätte alle Möglichkeiten angeführt, die jemanden bewegen könnten, die 110 zu wählen. Es wäre sicher interessant gewesen, welche Notfälle außerhalb des vorgegebenen Rasters die Betreffenden melden wollten - oder ob sie einfach in Unkenntnis der Tatsache handelten, dass der Notruf eben nur für akute Notfälle gedacht ist.









Ein knappes Drittel der Anrufer erreichten nicht sofort die Zentrale der Polizei, sondern wanderten in eine Warteschleife. Falls man tatsächlich in größter Not ist und jede Sekunde zählt, ist das ganz sicher nicht hilfreich.

























Ein erschreckend hoher Prozentsatz musste mehr als fünf Minuten warten, bis jemand abnahm, ein Fünftel der Anrufer sogar länger als 10 Minuten.


























Wenn mehr als 35% der Anrufer angeben, dass die Polizei ihnen nicht helfen konnte oder wollte, trägt das wohl eher nicht zum Vertrauen in die Sicherheits- und Ordnungsmacht bei.























Dreiviertel derer, die Hilfe bekamen, brauchten Polizei vor Ort und es wurde ihnen zugesagt, eine Streife zu schicken.






























Dass praktisch nie innerhalb von 5 Minuten eine Streife vor Ort war, ist angesichts der Größe der Polizeidirektion nachvollziehbar. Doch dafür, dass in fast einem DRITTEL aller Fälle die Polizei trotz Zusage NICHT kam, ist völlig inakzeptabel.
























Die Hälfte derer, die keine Hilfe bekamen, mussten sich anhören, dass keine Streife frei wäre. Das bestätigt die Erzählungen, die kursieren.




























Über Alles bewegt sich die Zufriedenheit mit den Beamten am Telefon im unteren, befriedigenden Bereich. Deutlich positiver als im Schnitt werden die Fähigkeiten der Polizisten bewertet, sich klar und verständlich auszudrücken.

























Insgesamt ist das Ergebnis der Umfrage erschütternd und erhärtet die Gerüchte und Meinungen, die im Umlauf sind.
In 49,24 % der Fälle bekommen Anrufer KEINE HILFE von der Polizei.
Dabei ist der Anteil der Fälle, in denen eine Zuständigkeit nicht gegeben ist, zu vernachlässigen. Die Auskunft, dass wegen Personalmangel keiner kommen kann, ist eine Standardantwort - und noch erschreckender ist, wieviele 110-Wähler trotz Zusage vergeblich auf eine Streife warten.
Praktisch die Hälfte aller Bürger, die die Polizei brauchen, rufen vergeblich an.
Angesichts solcher Ergebnisse haben Aufforderungen, bei verdächtigen Beobachtungen und Ereignissen sofort die 110 zu wählen, schon etwas unfreiwillig Komisches.
Die Gründe für diese Situation sind vielfältig und haben in den meisten Fällen nichts damit zu tun, dass es den Polizeibeamten am Willen fehlen würde zu helfen. Es sind ganz einfach zu wenige da...

Mittwoch, 4. November 2015

Umfragen-Umfrage


Ein kleines empirisches Experiment läuft zur Zeit auf dem Dom-Zoo, mit dem Ziel herauszufinden, wie groß das Interesse der werten Leserschaft ist, an auf Limburger Fragen, Probleme und Verhältnisse bezogenen Umfragen teilzunehmen.
Falls genügend Interessenten sich hier beteiligen, wird es entsprechende Aktionen regelmäßig geben.


HIER geht es direkt zur Umfrage:

Donnerstag, 20. August 2015

Rufmörder GmbH & Co. KG



Kaum wurde bekannt, dass ein Zeltlager für Flüchtlinge als Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen in Limburg errichtet werden sollte, gab es Reaktionen in der publizistischen Öffentlichkeit. Auffällig dabei war, dass bestimmte Teile der bezahlten Presse einen Drang zeigten, primär Probleme und Widerstand zu thematisieren. Es hatte fast den Anschein, als solle eine Eskalation herbeigeschrieben werden. Höchst bedenklich war unter anderem, dass die Adresse einer Seite im Internet, die Mitglieder GEGEN das Lager sammelte, vollständig und damit direkt erreichbar widergegeben wurde, während die Gegenbewegung, die ein Vielfaches an Stimmen mobilisierte, lediglich Erwähnung fand.
Besonders übel war jedoch die Art und Weise, wie unter dem Deckmantel des Journalismus persönliche Fehden ausgefochten wurden. Der zukünftige Bürgermeister der Stadt Limburg wurde zum Ziel einer regelrechten Rufmordkampagne, in der die Lokalpresse und anonyme Internetpräsenzen, die schon in der Vergangenheit durch parteipolitisch motivierte Verunglimpfungen von Marius Hahn aufgefallen waren, direkt Hand in Hand arbeiteten.
Dabei setzte die lokale Weltpresse den ersten Tiefschlag, bei dem sie die hohe Kunst der perfiden Überschrift demonstrierte. In der Printausgabe auf der ersten Lokalseite titelte sie „Hahn gegen Zeltstadt in Staffel“. Direkt neben der Weinkönigin, deren Portrait so groß war, wie der ganze Artikel über die Flüchtlingszeltstadt, sprang den Leser die Nachricht in großen Buchstaben an.
Die Kust der Überschrift in großen Buchstaben
Die Headline suggerierte, dass der kommende Bürgermeister der Domstadt ein entschiedener Gegner einer Unterbringung von Flüchtlingen in Limburg sei - und genau das war die Absicht, auch wenn sich im weiter folgenden Text nicht ein einziger Beleg für die Behauptung finden ließ. Marius Hahn hatte sich lediglich differenzierte Gedanken über Ort und Verfahren gemacht, zu einem Zeitpunkt, als ihm wie den allermeisten anderen Limburgern noch jede konkrete Information vorenthalten wurde.
Dabei hatte Hahn nach seinen eigenen Angaben direkt vor der Informationsveranstaltung des Regierungspräsidenten nur ein informelles Gespräch mit einem Journalisten geführt. Er hatte seine Bedenken gegen den Standort und gegen eine Unterbringung in Zelten generell geäußert und das leerstehende und sehr viel Platz bietende Kasernengelände an der Stadtgrenze zu Diez erwähnt. Er wies im übrigen mehrfach darauf hin, dass er diese Überlegungen nicht zitiert sehen wolle, sie also "off the record" erfolgten. 
Jeder Verstoß dagegen wird unter seriösen Journalisten als professionelle Todsünde betrachtet.
Besagte Netzpräsenz stürzte sich auf diese „Meldung“ und zog in den folgenden Tagen bei jeder einzelnen Meldung in niederträchtiger Weise über Marius Hahn her und unterstellte ihm ganz direkt ein Abdriften in rechtspopulistische Lager. 
Den Ton hatte die NNP mit der Überschrift vorgegeben. Die in der Woche vor dem bürgermeistersuchenden Urnengang zerbrochenen, unheiligen Allianzen wurden offenbar neu geschmiedet und nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf, konnte einem der Verdacht kommen.
Interessant war bei der Aktion, dass schon wieder derselbe Journalist im Mittelpunkt stand, der schon während des Presseskandals im Wahlkampf (vergleiche: Was sprach der Kandidat) auffällig geworden war. Doch der handelte offenbar nicht eigenmächtig, sondern in bester Übereinkunft mit der Gesamtredaktion. Wie anders ist zu interpretieren, dass eine Leserin, die sich bei einem verantwortlichen Redakteur bei einem zufälligen Treffen über die hinterhältige Überschrift beschwerte, von diesem laut ausgelacht und stehen gelassen wurde?
Am Neumarkt gab es offenbar dann doch irgendwann oder irgendwo Bedenken, ob man da nicht vielleicht (oder zu früh) den einen Schritt zu weit gegangen sein könnte. In der Online-Ausgabe waren schon am selben Tag der Artikel und die boshafte Überschrift nur noch mit der Suchfunktion tief im Archiv verborgen zu finden.
Kurz drauf ruderte die NNP zurück, doch sie tat es so, dass es nach Möglichkeit niemand merkte. In einem Artikel über das Lager berichtete sie am Ende verklausuliert über die Folgen ihrer Falschmeldung, ohne diese so zu benennen oder richtig zu stellen. Wörtlich hieß es, Hahn fühle sich durch die Veröffentlichung in der NNP missverstanden.
Dies Formulierung war gezielt so gewählt, dass der flüchtige Konsument daraus schließen musste, dass Hahn sage, er "hätte das nicht so gemeint".
Das tat er aber nicht und das stand auch nicht dort.
Widerrüfchen
Vielmehr stellt Hahn klar, dass die "wenigen" Missverständnisse nicht durch seine Äußerungen, sondern DURCH die verfälschende Meldung in der NNP hervorgerufen wurden. Hahn war als der zukünftige Bürgermeister mehrere Tage lang gezwungen, sich gegen Attacken und Vorhaltungen zu wehren, er sei irgendwelchen rechtspopulistischen Anwandlungen erlegen. Wie schwer es ist, eine erstmal in die Welt gesetzte Verleumdung zu bekämpfen, ist bekannt. Denn "es stand ja in der Zeitung".
Die "Richtigstellung" durch die NNP war erst eine, wenn man in die Tiefen des wirklich Gesagten vordrang. Von der Formulierung her setzt sie jedoch das einmal begonnene Spiel fort. Die sekundierende Netzpräsenz nahm diese „Meldung“ auf und „berichtete“ süffisant, Marius Hahn sein von seiner Meinung abgewichen und hätte das der Zeitung gegenüber erklärt. Dass sie dies bereit zwei Tage VOR dem Abdruck der Meldung tun konnte, sagt einiges über die Vernetzung mit gewissen lokalen Medien aus.
Nachdem die unter dem Deckmäntelchen einer Nachrichtenseite agierende anonyme Rufmörderpräsenz weiter jeder „Meldung“ nutzte, ob sie nun Flüchtlinge zum Thema hatte, oder nicht, um Marius Hahn zu diskreditieren, schrieb dieser eine Antwort und Klarstellung direkt auf die Seite. Daraufhin traten die subversiven Wahlkampfverlierer den Rückzug an, schoben ganz schnell alle Folgen auf die Falschmeldung der Presse und schafften es darüber hinaus, sich selbst auch noch als unschuldige Opfer einer Kampagne zu präsentieren.
Es bleibt abzuwarten, was diese unheilige Allianz zwischen legalen und illegalen Medien in der nahen Zukunft noch aushecken wird. Zur Zeit eher wenig. Seit heute Mittag ist die Seite, die sich in der vergangenen Zeit schon nur noch auf Verlinken von NNP Beiträgen (Überraschung...) beschränkt hatte, zumindest offline...

Sonntag, 19. Juli 2015

Die Limburger Schlittschuhkriege


Gunnar Z. ist ein international anerkannter Eventmanager, Messebauer, Planer und Designer, der die bewundernswerte Fähigkeit hat, sich für ein Projekt zu begeistern, alle Kreativität hinein zu kanalisieren und gleichzeitig das gesamte Umfeld zu berücksichtigen. Er erarbeitet unermüdlich integrative Konzeptionen aller Art für die Lahnstadt, in der er seit Jahrzehnten arbeitet und lebt.
Für den kommunalen Politiker Werner L. jedoch ist Gunnar Z. nichts weiter als „irgendein Dahergelaufener“, der den Limburgern erklären will, wie es geht.
Was sich nach der Vorstellung des Weihnachtsmarktkonzepts von Gunnar Z. am vergangenen Mittwoch im Ausschuss für Stadtentwicklung usw. abspielte, markierte einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte der an Lowlights wahrlich nicht armen Kommunalpolitik.
Ein Mann, der der Einladung gefolgt war und im Ausschuss seine Vorstellungen eindrucksvoll bebildert präsentierte, wurde in Anwesenheit seines Teams, seiner Frau und seiner kleinen Tochter auf eine niederträchtige Art und Weise angepöbelt – und weder der Ausschussvorsitzende noch irgend ein anderer der Anwesenden sah sich genötigt, auf die Hasstiraden auch nur ein Wort zu erwidern oder den fremdenfeindlichen Ausfällen irgendwas entgegenzusetzen.
Es hat sich in vielen Jahren gezeigt, in denen die lokale Politik mit Mandatsträgern dieser Art und Gesinnung garniert ist, dass sie für alles, was hinter ihrem eigenen Horizonts liegt, nur aggressive Abwehr oder abgrundtiefe Verachtung übrig haben. Also praktisch für die gesamte Welt jenseits ihres eng am Haus stehenden, eigenen Gartenzauns.
Wir wissen alles, wir können alles, wir haben alles – und was wir nicht wissen, können oder haben, das ist es nicht wert, es auch nur zu beachten oder ein Wort darüber zu verlieren.
Muss man sich über Politikverdrossenheit jüngerer Generationen wundern, wenn Protagonisten dieser jungsteinzeitlichen Geisteshaltung und mit einem solchen, menschenverachtenden Auftreten Mandatsträger sein dürfen?
Dabei ging es an diesem Tag nicht um die Rettung des Abendlandes, des christkatholischen.
Nur die mögliche Einrichtung einer Eislaufbahn im Rahmen des Limburger Weihnachtsmarkts war das zentrale Thema einer Ausschusssitzung.
Es wurde eine lange, emotionale, chaotische und am Ende praktisch ergebnislose Veranstaltung.
Und es war eine erschütternd dilettantisch vorbereitete.
Zwei Monate hatte der Magistrat nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Zeit gehabt, ein Konzept zu entwickeln und vorzustellen. Zwischendrin hatte es eine weitere Ausschusssitzung und eine Parlamentstagung gegeben, auf der man Zwischenberichte hätte vorstellen, Unklarheiten beseitigen und Fragen vertiefen können.
Nichts davon war geschehen.
Nun legte der Magistrat ein Papier vor, mit dem er lediglich konstatierte, dass er seinen Auftrag nicht erfüllt hatte, weil angeblich zu wenig Zeit gewesen sei. Der Tenor des Berichts war ein pauschales und unbegründetes „geht nicht“. Jedenfalls nicht auf öffentlichem Grund. Von Feuerwehrrettungswegen bis Baustatik waren alle Ausreden vertreten – doch auf konkrete Nachfrage wusste niemand auf Seiten des Magistrats darzulegen, worauf diese Informationen basierten.
Anwesend waren drei Anbieter, die sich auf die „Ausschreibung“ gemeldet hatten, hieß es zu Beginn. Doch auch schon das entsprach nicht unbedingt den Tatsachen. Zwei der Interessenten hatten bereits vor Jahren Konzepte eingereicht, die nie in Erwägung gezogen wurden und einer war explizit im Auftrag seines Herrn unterwegs, des EMI (einzig möglicher Investor), in dessen Ex-Posthof er die Eislauffläche errichten soll.
Alle drei Anbieter erhielten eine Einladung zur Sitzung.
Fünf Tage vor dem Termin. Übers Wochenende.
Nachdem das Platzproblem im Zuschauerbereich gelöst war (ca 70 Interessierte wollten sich das Theater mal ansehen…), begann die Veranstaltung mit allgemeiner Ratlosigkeit.
Die Vertreterin der Antragsteller bemängelte, dass der Magistrat mit dem Papier gar nichts geliefert habe und dieser schwieg dazu einfach in Person des Ersten Stadtrats.
Man war zusammengekommen, um etwas zu beschließen – aber nun gab es einfach nichts.
Außerdem machte sich wenigstens Irritation darüber breit, dass KEIN EINZIGES Ausschussmitglied irgend ein Stück Papier zu den eingereichten Angeboten erhalten hatte. Auch die Hoffnung, dass man ihnen via Präsentation an der Leinwand etwas zeigen würde, war in zwei von drei Fällen vergebens.
Eine ganz eigene Vorstellung lieferte nach den Anbietern die Gruppe der Weihnachtsmarktakteure, die ein Duo nebst Powerpoint geschickt hatte. Der Sprecher der Vereinigung setzte von vorn herein den Ton. Was in der Grabenstraße das substanzfreie Drohungsphantom „Drosselgasse“ gewesen war, wurde in Bezug auf die umfassende Neukonzeption der Märkte nun der „Ballermann“ als universelles Totschlagargument. Aggressiv und kämpferisch warf der Sprecher Gunnar Z. vor, er wolle aus dem beschaulichen Weihnachtsmarkt einen Ableger des berüchtigten Teutonenparadieses machen und er wolle den Schaustellern den Weihnachtsmarkt wegnehmen, um seinen eigenen daraus zu machen. „Feindliche Übernahme“ war der Kampfbegriff, der ins Feld geführt wurde indes fanden sich unter den Ausschussmitgliedern die üblichen Verdächtigen, die unreflektiert zustimmten.
Die gesamte Vorstellung der aktuellen Betreiber war für Außenstehende wenigstens absonderlich, denn sie zeigte ein tiefgreifendes und tiefsitzendes Struktur- und Selbstverständnisproblem. Die Weihnachtsmarktbeschicker betrachten sich verblüffenderweise als quasi-karitative Organisation, die den Limburgern Wunderbares in der Adventszeit beschert. Unglaublich war, dass im Zusammenhang mit dieser rein der Erzielung größtmöglicher Gewinne gewidmeten Veranstaltung der Begriff „ehrenamtlich“ fiel. Alles, was sie rund um die Hüttenbewirtschaftung tun, betrachten die Schausteller als Dienst am Menschen – und nicht als Rahmenprogramm, um mehr Geld zu verdienen.
Ihre Präsentation versuchte darzulegen, dass der Weihnachtsmarkt in Limburg perfekt, ideal, klein und fein ist und dass er keinerlei Neuerungen braucht. Als Beleg für die Attraktivität wurde die Zahl der Busse angeführt, die im vergangenen Jahr kamen. Doch auf die gesamte Laufzeit umgelegt, ergibt sich dabei ein Durchschnitt von nicht einmal sieben Reisegruppen pro Tag, die zum Weihnachtsmarkt nach Limburg kommen. Zwischen 10 und 21 Uhr.
Seitens der Veranstalter wurde kurzerhand geleugnet, dass immer mehr Besucher sich über den Markt enttäuscht äußern, weil sie einfach mehr erwartet hätten.
Für Zuhörer nur sehr schwer nachvollziehbar ist die Haltung der Marktbeschicker. Auf der einen Seite jammern sie über Kosten und darüber, wie wenig sie verdienen. Auf der anderen Seite ist jede Veränderung Teufelswerk und jeder, der eine solche anregt, automatisch der Feind.
Die Idealvorstellung eines Weihnachtsmarktes wäre offenbar ein fröhliches Glühweintrinken unter Freunden bei gleichzeitigem Geldscheffeln. Dass dies nicht vereinbar ist und dass auswärtige Besucher erforderlich sind, um den Gewinn zu sichern und zu erhöhen und solche, angesichts der regionalen Konkurrenz, nur durch echte Attraktionen angelockt werden können, findet im Weltbild der familiär eng verflochtenen Gemeinschaft keinen Platz.
Das einzige, was ein Umdenken bewirken könnte, ist eine reale Bedrohung – und die gibt es nun, wie an diesem denkwürdigen Abend klar wurde.
Für alle überraschend verkündeten die Schausteller nämlich, dass sie bereits selbst initiativ geworden waren und angefangen hatte, Angebote einzuholen, eine Eislaufbahn auf dem Neumarkt einzurichten, gerne auch mit dem von Gunnar Z. ins Spiel gebrachten reinen Kunststoffbelag ohne Energie- und Folgekosten.
Was hatte diese Umdenken über Nacht gefördert?
Ganz sicher nicht Gespräche mit Anbietern. Die hatte die Stadt nicht vermittelt oder moderiert.
Ganz sicher nicht Diskussionen und Abstimmungen mit anliegenden Geschäftsinhabern oder dem Cityring. Solche hatte die Stadt weder vermittelt noch initiiert.
Den Schaustellern war nur offenbar schlagartig klar geworden, dass über ihrem Paradies am Neumarkt ein Damoklesschwert hängt, dessen Faden kurz vor dem Zerreißen ist.
Der vom EMI gesandte Handwerksunternehmer erklärte, dass er auch in großen Städten wie Köln Weihnachtsmärkte mit Eisbahn errichtet und betreibt. Er erklärte, dass er für den EMI die weihnachtliche Gestaltung seines zentrumsfernen Einkaufsparadieses übertragen bekommen hat. Und er erklärte, dass im Alten Posthof eine Eislaufbahn gebaut werden soll, falls keine an einem anderen Ort errichtet wird. Diese Posthofbahn natürlich mit ein, zwei Hütten für die kulinarische Versorgung versehen werden.
Wie schnell aus ein, zwei Hütten dreißig werden, weiß jeder Schausteller…
Doch auch gegen eine Eislaufbahn auf dem Neumarkt hätte der EMI nichts. Die Bedingung sei aber, den Neumarkt durch eine Ausweitung des Weihnachtsmarkts über obere Bahnhofstraße und Bahnhofsvorplatz an die WERKStadt anzuschließen.
Dass eine solche Verbindung auch wieder eine Verdoppelung der Hütten und damit der Konkurrenz darstellen wird, wurde von keiner Seite thematisiert.
Wie ernst der Beauftragte des EMI seine Mission nahm, zeigte sich daran, dass er es darüber hinaus nicht versäumen wollte, die Anwesenden und die Politiker an seinem Wissen teilhaben zu lassen, dass jede Panik vor einem FOC oder zentrumsfernen Mall unnötig sein. Denn diese würden Menschen in die Stadt bringen und alle würden davon profitieren, belehrte er. Alle.
Die betroffenen Händler mit massiven Umsatzeinbußen dürfen es mit Verwunderung vernommen haben.
Die Botschaft von hinter dem Bahnhof ist eindeutig. Der EMI will das Publikum des Weihnachtsmarkts anziehen, um jeden Preis. Falls dies nicht durch eine Anbindung geschieht, wird er die Besucher durch eine eigene Veranstaltung kurzerhand abziehen.
Den Schaustellern auf dem Neumarkt bleibt daher aktuell nur, in den sauren Apfel zu beißen und mit spitzen Fingern das Monster „Veränderung“ anzufassen.
Was am Ende blieb, war kein neuer Beschluss des Ausschusses, sondern im Grunde nur die Wiederholung des Auftrags an Magistrat und Stadtverwaltung, eine KONZEPTION vorzulegen.
Diesmal konkretisiert um die Errichtung einer Kunststoffeislaufbahn auf dem Neumarkt mit der Maßgabe, dass der Stadt dabei keine Kosten entstehen, also der Betrieb extern finanziert wird. Außerdem wurde der Magistrat aufgefordert, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, für einen Informationsaustausch zu sorgen und auf einen Konsens hinzuwirken.
Die Stadt hat nun zwei Monate Zeit, ein solches Konzept vorzulegen.
Die Stadt hatte schon einmal zwei Monate Zeit und alles unternommen, die Verwirklichung einer Eislaufbahn 2015 zu verhindern.
Was hatte dieses Umdenken angestoßen?
Zwischenzeitlich haben aber offenbar die Schausteller die Zeichen der Zeit erkannt. Zumindest sind sie Willens, etwas zu tun, wenn sie die Gefahr auch auf einer völlig falschen Seite sehen. Sie zittern davor, dass der verhasste Fremdling ihnen ihren... sagen wir einmal: extrem traditionsorientierten Weihnachtsmarkt wegnehmen könnte. Deshalb planen die Weihnachtsmarktbeschicker nun konkret, bereit im Winter 2015 auf dem Neumarkt eine Eislaufbahn mit Kunststofffläche zu errichten.
Warten wir es ab...

Sonntag, 28. Juni 2015

Ein Kampf um Limburg - Die Bürgermeisterwahl im Rückblick



Der neue Bürgermeister von Limburg wird Marius Hahn heißen. Nach einem Wahlkampf, der einige Überraschungen bot, haben sich die Bürger für einen Wechsel in den Machtverhältnissen entschieden.
Es scheint an der Zeit, die vergangenen Monate noch einmal etwas genauer zu betrachten.

Michael Stanke
Fassungslos stand, wenn man Berichten in der NNP Glauben schenken darf, der CDU-Kandidat am Sonntag, den 14. Juni, gegen 19:30 Uhr vor dem Ergebnis der Wahl.
Nicht weniger fassungslos macht den Beobachter seine erste Analyse. Wiederum eine wahrheitsgemäße Berichterstattung vorausgesetzt, die man bei dem komplizierten Innenverhältnis Was-Stanke-sagt-und-was-die-NNP-schreibt ja nicht so ohne weiteres annehmen darf, äußerte sich der Unterlegene so: "Vielleicht haben wir die Erfolge unserer Politik nicht offensiv genug vertreten."
Dies zeigt für mich nur eins: Michael Stanke versteht es einfach nicht.
Er hat es schon während seiner gesamten Wahlkampagne nicht verstanden, doch jetzt, im Augenblick der Niederlage klammert er sich immer noch an seine völlig verfehlte Strategie und sieht die Ursache seines kläglichen Scheiterns darin, dass er sie nicht NOCH sturer verfolgt hat.
Als Amtsinhaber, der sich zu einer Wiederwahl stellt, hat man es generell einfacher, denn man kann auf erbrachte Leistungen verweisen und versprechen, diese fortzuführen. Problematisch wird es, wenn man nicht Verantwortlicher ist und in seinem nachgeordneten Amt keine maßgebliche Gestaltungshoheit hatte. Dann Vergangenes zu thematisieren, das ein anderer erreicht hat, während die eigene Leistung war, daneben zu stehen und zuzuschauen, wirkt nicht sehr überzeugend.
Ganz kritisch wird es jedoch, wenn es nichts gibt, was man sich anstecken könnte. Die Klientelpolitik des NBM auf dem Rücken der Bürger, die Alimentation Einzelner und Subvention von Multimillionären, während gleichzeitig stadteigene Bauten und Infrastruktur verrotten, angebliche Haushaltskonsolidierung bei paralleler Verschwendung von Unsummen für dysfunktionale oder nie verwirklichte Irrsinnsprojekte und Gutachten, ist nichts, mit dem man einen Wahlkampf gewinnen kann.
In einem solchen Fall muss sich ein Bewerber von seinem Vorgänger entschieden absetzen und abheben. Doch dazu braucht man etwas, das im Stanke Lager ganz offensichtlich eine ganz große Unbekannte war: Ein Programm.
Bis auf eine immer wiederkehrende Aufzählung von Aufgaben, die ein Bürgermeister nun einmal Kraft Jobbeschreibung zu erledigen hat, kam von Seiten Stankes nichts. Absolut nichts.
Er präsentierte sich den gesamten Wahlkampf über als jemand, der niemals die Initiative ergreift, sondern ausschließlich zu reagieren in der Lage ist. Passivität war die Botschaft und die spiegelte sich in jeder einzelnen Aktion. Bei keiner einzigen seiner Veranstaltungen präsentierte Stanke auch nur den Embryo einer eigenen Idee, sondern er „besuchte“ immer nur andere und ließ sich zeigen oder erklären, was diese taten. In keiner Phase überraschte er seinen Gegner mit Projekten, Ideen oder Aktionen, sondern er lief ihm stets hinterher.
Verblüffend war es zu beobachten, wie Michael Stanke den Spuren des Mitbewerbers folgte und über den Greifenberg wanderte, nachdem Hahn mit Bürgern die Grünanlagen angesehen und Ideen für eine bessere Gestaltung gesammelt hatte. Eine Woche nach der Hahn-Mannschaft hatte sein Team Wahlkampf-Polos und kurze Zeit, nachdem der Mitbewerber Hausbesuche in Ortsteilen begonnen hatte, klingelte auch Michael Stanke an Türen. In einer abenteuerlichen Dreistigkeit wurden ganze Passagen aus den Hahnkonzepten für Bürgerthemen übernommen und bereicherten die anfangs dürren Zeilen „programmatischer“ Natur auf der HP des CDU-Kandidaten. Grotesk war, dass er oder seine Helfer dabei die implizite Kritik an den aktuellen Zuständen und Versäumnissen der Vergangenheit gleich mit übernahmen – einer Vergangenheit die Stanke doch als seine große Leistung herausstellen wollte.
In den öffentlichen Auftritten gab sich Stanke jovial, umgänglich, freundlich – und immer wieder so unbedarft, dass es an politischen Selbstmord auf offener Bühne grenzte. Einen Bewerber um das Amt des Bürgermeisters, der als seine größte Schwäche sein Phlegma nennt, sieht man wirklich selten. Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen gehörte sicher auch nicht, dass er wiederholt erklärte, man müsse viele Sachen einfach mal liegen lassen, dann würden sie sich oft von selbst erledigen.
Nichtstun, abwarten und zuschauen, was andere so leisten – all das als Qualitäten für ein Amt zu präsentieren, das einen energischen, zielstrebigen und zupackenden Menschen fordert, war sicher keine Taktik, die einen Wähler überzeugen konnte, dem CDU-Kandidaten die Führung einer Stadt wie Limburg zu- und anzuvertrauen.
Nun steht Michael Stanke vor den Trümmern seiner Karriereplanung, die ihn nach seinen eigenen Vorstellungen irgendwie zwangsläufig und folgerichtig auf den Sessel des Bürgermeisters bringen sollte, ohne dass von ihm dazu irgendeine besondere Leistung gefordert würde.
Er kann sich das Ergebnis vom Sonntag absolut nicht erklären. Dabei versteht er jedoch etwas ganz Wesentliches nicht.
Michael Stanke hat die Bürgermeisterwahl nicht verloren.
Marius Hahn hat sie gewonnen.

Marius Hahn
Was er nun zu dem unerwarteten Ergebnis sage, wollte der am Ende nur noch mäßig verkappte Wahlkämpfer in Journalistentarnung wissen. Bis zur letzten Sekunde hatte er noch alles versucht, dem Gegner die größte Publizität zu verschaffen und ihm zu jedem Thema von Marius Hahn das Wort zu erteilen. Wenige Minuten nach der Schließung der Wahllokale verbreitete der Mann dann schon Ergebnisse angeblicher repräsentativer Umfragen, die einen knappen Sieg des Anderen voraussagten – und nun dies.
Mit einem sehr gequälten Lächeln musste der subversive Publizist nun dem Mann, den er als Wahlverlierer ausgemacht hatte, zum Sieg gratulieren, und er stellte seine Frage.
Unerwartet sei das Ergebnis überhaupt nicht, reagierte Marius Hahn schlagfertig.
Er sei von seinem Wahlsieg ausgegangen.
Es war die richtige Antwort auf die letzte Spitze des Gegenübers. Doch ein Blick in das Gesicht des Kandidaten verriet dem, der die Zeichen zu erkennen vermag, viel mehr. Die Freude und Begeisterung, die sich erst im Lauf des Abends ihren Weg bahnen sollten, waren noch nicht angekommen. Dort im großen Sitzungssaal, kurz nach der Bekanntgabe des Endergebnisses, sah man in den Augen von Marius Hahn einen Moment lang nur eine Mischung aus tiefer Erschöpfung, Erleichterung und Dankbarkeit.
Was ein knappes halbes Jahr vorher praktisch niemand für möglich gehalten hatte, war passiert. Die dem Anschein nach für alle Ewigkeit festbetonierte CDU-Festung Limburg war gefallen und über dem Rathaus wehte die Flagge mit dem Roten Hahn.
Nach der Nominierung durch eine Wählergemeinschaft im Januar hatte die Presse seine Kandidatur gemeldet. Danach verschwand Marius Hahn vollkommen aus der publizierten Öffentlichkeit. Während sein Gegner mit Amtsbonus und der Unterstützung des gesamten Rathauses einen Termin nach dem anderen kreiert bekam und wahrnahm, der ihn in Wort und Bild in die Zeitungen und das Bewusstsein der Bevölkerung brachte, war Marius Hahn diese Möglichkeit verwehrt. In einer mehr als bemerkenswerten Allianz des Schweigens ignorierten die eine Bezahl- und die zwei kostenlosen Zeitungen den zweiten Bewerber um das Amt des Bürgermeisters praktisch vollständig. Ganz gleich, was er und sein Team veranstalteten, es fand maximal in einer Zweizeiler-Ankündigung seinen Niederschlag, als Bericht praktisch nie.
Nach dem zweiten Kandidaten um das Amt des Bürgermeisters befragt, konnten die meisten Wähler nur Antworten dieser Art geben: „Ja, klar, der Dingsda, na… na der… wie heißt er noch?“.
Marius Hahn kämpfte verzweifelt mit öffentlichen Auftritten dagegen an, nahm an jedem organisierten Frühjahrsputz im Stadtgebiet teil und zeigte sich in Warnweste und mit breitem Lächeln bei der Arbeit, doch der Erfolg war gering. Er erntete in der Öffentlichkeit dafür kaum mehr als ein Schulterklopfen derer, die sowieso zu seinen Unterstützern zählten. Die Gegner hatten maximal das verächtliche Achselzucken der sicheren Sieger.
Das Rennen war im Bewusstsein der Öffentlichkeit entschieden, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Doch dann geschah etwas, das für mich in der rückblickenden Analyse den Wendepunkt darstellte. Marius Hahn zeigte zwei Charaktereigenschaften, die für die darauf folgenden Monate jeden seiner Schritte prägen sollten. Kampfbereitschaft und Lernvermögen. Der Wille, sich einzugestehen, dass man bei einer Sache nicht weiterkommt und sich kompetente Hilfe zu holen, ist bekanntlich KEINE Limburger Kardinaltugend. "Intelligent sind wir selber“ ist die Grundhaltung in der Lahnstadt, die so viele Chancen in der Vergangenheit und Gegenwart verspielt hat.
Marius Hahn tat etwas, das gemeinhin als nichtlimburgische Handlung gilt: Er holte sich Hilfe.
Es war dem Kandidaten Hahn offenbar bewusst geworden, was für eine Aufgabe er da optimistisch in Angriff genommen hatte. Er wollte eine CDU-Hochburg gegen ein gesamtes Rathaus und gegen eine vereinigte Presse erobern. Ein unmöglicher Auftrag. Doch er fand einen Parteigenossen, dem genau das gelungen war.
Marius Hahn lud den Mann ein, der zwei Jahre zuvor sensationell die Wahl zum Oberbürgermeisters von Wiesbaden gewonnen hatte. Sven Gerich folgte dem Hilferuf, kam zu einer Podiumsdiskussion – und nach diesem Abend schaute Marius Hahn nicht ein einziges Mal mehr zurück.
Was folgte, war eine Kampagne, wie es sie in dieser Perfektion und Intensität wahrscheinlich für eine Stadt dieser Größe in der Geschichte Deutschlands noch nie gegeben hat.
Bei aller Wertschätzung des Engagements, des Einsatzes und des guten Willens der Wählerinitiative Marius Hahn, ich halte es für ausgeschlossen, dass sie für die Systematik, die Publikationen und vor allem die Dramaturgie des nach dem Gerich-Auftritt folgenden Wahlkampfes alleine verantwortlich ist. Praktisch alles, was danach geschah, trägt für mich die Handschrift eines PR-Profis und ich muss gestehen, dass ich denjenigen beneide, der dahintersteckt. Insbesondere das Timing und die Fähigkeiten, so viele verschiedene Einzelprojekte parallel zu führen und jedes von ihnen zur maximal Wirkung zu bringen, rufen bei mir Hochachtung hervor.
Müsste ich diesen Mann oder diese Frau suchen, ich würde als erstes im Umfeld von Sven Gerich nach ihm/ihr fahnden. Denn die Parallelen zu dessen Wahlkampf sind unverkennbar, obwohl dieser natürlich mit einem ganz anderen personellen und vor allem finanziellen Aufgebot geführt wurde.
Es waren zwei elementare Ratschläge, die der OB von Wiesbaden Marius Hahn öffentlich mit auf den Weg mitgab.
Erstens: In die Häuser zu gehen, mit den Mensch direkt zu sprechen, sich ihre Sorgen und Nöte anzuhören, davon so viel wie möglich mitzunehmen UND parallel dazu schon Antworten zu suchen und Lösungen zu entwickeln.
Noch wichtiger war wohl Ratschlag Nummer zwei: Schau nie, nie, nie, was der Gegner macht.
Marius Hahn folgte diesen beiden Generalklauseln. Mit Beginn seines Urlaubs startete er eine tägliche Tournee durch alle Stadtteile und klingelte an Hunderten von Türen.
Hahn ergriff voll und ganz die Initiative. Er setzte und besetzte die Themen des Wahlkampfs, konkretisierte Vorstellungen, kanalisierte sie in Projekte und von da an blieb dem Mitbewerber nur noch, staunend zuzuschauen und zu reagieren. Es waren ausschließlich Marius Hahn und sein Team, die bis zum letzten Sonntag vorgaben, wo es im Wahlkampf entlang ging.
Bei seinen Veranstaltungen holte Hahn nicht den Cousin des Schwagers oder den Parteigenossen Vereinsvorsitzenden an seine Seite, sondern hochkarätige Fachleute, die seinen Ideen Gewicht verliehen.
Marius Hahn überrumpelte alle mit seiner Vorstellung eines Kongresszentrums und griff sich damit kurzerhand das Thema Wirtschaftsstandort Limburg und Förderung desselben. Seine Konzeption eines Bürgerbüros degradierte den Versuch des NBM, dem unliebsamen Bewerber sein Steckenpferd wegzunehmen, zu einem hilflosen Dilettieren mit einem Legobaukasten. Die Hahn-Vision eines Hochschulstandorts Limburg fand Wiederhall nicht nur in der überregionalen Presse, sondern ging sogar bis in den Landtag und ist nun Gegenstand eines Antrags von SPD und FDP. Visionen eines Neumarkts als Zentrum des lokalen Lebens faszinierten Geschäftsleute wie Bürger gleichermaßen.
Mit jedem großen Auftritt wurde Marius Hahn sicherer und mit jedem Beitrag konnte er die große Botschaft, die er auf seine künstlerisch überragend gestalteten Überraschungsplakate der zweiten Welle geschrieben hatte, besser vermitteln: Limburg den Bürgern zurückgeben.
Parallel zu den Veranstaltungen besuchte er weiter Wähler. Auf die häufig gestellte Frage, warum man von seinen Vorstellungen, Projekten und Konzepten nie irgendwas in der Zeitung gelesen hätte, antwortete er immer nüchtern: „Da müssen Sie die Zeitung selbst fragen“. Die Redaktionen hatten zumindest von seinem Team alle Informationen erhalten.
Diese wiederkehrenden Aussagen und die beharrliche Arbeit, die die Unterstützer persönlich, im Internet und bei den immer besser besuchten Info-Ständen in der Fußgängerzone leisteten, zeigten nach und nach Ergebnisse. Unter den Wählern machte sich ein immer größerer Unmut über die einseitige und tendenziöse Berichterstattung bei gleichzeitigem Boykott von Hahn breit. Im Leserbriefbereich der NNP tobte eine kleine Schlacht zwischen den Anhängern beider Lager, doch bei den Limburgern hatte das Ansehen der lokalen Zeitungen längst zu einem halsbrecherischen Sturzflug angesetzt.
Trotz dieser offenen Parteinahme tat sich Erstaunliches und für die Presse Beunruhigendes. Marius Hahn verwandelte sich in der öffentlichen Wahrnehmung vom „Wer-war-das-noch“ nicht nur zu einem ernsthaften Kandidaten. Es ging noch einen großen Schritt weiter. Nichts war mehr davon zu hören, die Wahl sei längst zugunsten des Mitbewerbers entschieden. Inzwischen war nur noch die Rede davon, dass der Ausgang der Wahl völlig offen sei.
„Jetzt glaubt sogar meine Mutter, dass es was werden kann“, konnte Marius Hahn mit einem Lächeln vermelden.
Es nahte das große Finale und damit die Zeit, in der sich traditionell die Nassauische Neue Presse offiziell einmischt, um dann mit dem NNP-Forum beim abschließenden Schaulaufen der Kandidaten das letzte Wort zu behalten.
Die Redaktionsleitung kündigte das Verfahren an. Vier Berichte für jeden Kandidaten zu Veranstaltungen, die er selbst auswählen durfte, eine Home-Story sowie ein Fragebogen an beide würde es geben. Dazu das Forum und den zugehörigen Bericht, mehr nicht. Ganz wichtig war, dass eine Woche vor der Wahl der Leserbriefbereich zu diesem Thema geschlossen würde.
Die NNP selbst berichtete in dieser Ankündigung von einem offenen Rennen. Den letzten 14 Tagen würde also einige Bedeutung zukommen – und dem Verhalten der Nassauischen Neuen Presse.
Hatten viele Unterstützer nun erwartet, dass die NNP hemmungslos zugunsten des Gegners berichten würde, wurden sie überrascht. Zwar war die Home-Story des Kandidaten Hahn uninspiriert und das Foto unvorteilhaft und die Berichte zu den Veranstaltungen vermieden jede Erwähnung der extrem positiven Resonanz unter den Besuchern. Aber darüber hinaus blieb die erwartete Parteinahme aus.
Einer der Höhepunkte der Wahlkampagne von Marius Hahn war dann der Auftritt beim NNP Forum. Bestens vorbereitet, durch nichts zu überraschen, jederzeit souverän und bei jeder Antwort konkret, war er nach Ansicht vieler neutraler Beobachter der klare Sieger des Abends.
Die Stimmung nach dem NNP-Forum hatte weite Teile der Stadt erfasst und sie war gekippt. An vielen Orten war nicht länger von einem Gleichstand die Rede. Für eine große Zahl an Menschen lag Marius Hahn in Führung.
Am Tag nach dem NNP-Forum wagte ich etwas. Ich schrieb auf eine Karte meine Wahlprognose, steckte sie in einen Umschlag, den ich verschloss und schrieb darauf: Nicht vor Sonntag 20:00 öffnen.
Meine Zahlen waren zu diesem Zeitpunkt: Michael Stanke: 43,8 %, Marius Hahn 56,2%.
Bis zum Mittwoch war für Marius Hahn alles perfekt gelaufen.
Dann kam der Morgen des 11. Juni und die potentielle Katastrophe.
Auf meine Frage hin, was für ihn der schlimmste Moment des ganzen Wahlkampfs gewesen sei, antwortete Marius Hahn, das sei der Augenblick gewesen, an dem er von den mit Aufklebern verunstalteten Plakaten erfuhr und ihm durch den Kopf zuckte: „Jetzt ist alles kaputt. Das war’s.“
Es gehört ganz sicher zu den Highlights des an Attraktionen wirklich nicht armen Wahlkampfs von Marius Hahn, wie er mit dieser Situation umging. Statt panischer Reaktionen blieb man besonnen. Die Wählerinitiative erstattete Anzeige, Hahn erklärte wie sehr er eine solche Aktion verabscheute, schlug seinem Kontrahenten mehrfach eine gemeinsame Presseerklärung vor, die dieser brüsk ablehnte – und weder Hahn noch seine Anhänger gingen auf die zum Teil ganz direkt erhobenen Vorwürfe der Urheberschaft der Plakatverunstaltung ein, die doch nur Hahn schaden konnte.
Das Resultat war bemerkenswert. Was ganz offensichtlich als großer Coup mit explosivem Charakter geplant war, wurde zu einem feuchten Knallfrosch. Es puffte und funkte ein, zweimal müde – und das war’s.
Eine letzte, verzweifelte Aktion mit einem Flugblatt seitens des Gegners kam noch, doch auch hier gelang dem Hahn-Team ein Konter, der die Gegenseite auf dem völlig falschen Fuß erwischte. Wie aus dem inneren Kreis des anderen Kandidaten zu hören war, hätte kein Mensch im Traum jemals daran gedacht, dass das Hahn-Lager es fertigbringen würde, noch am Samstag mit einem brillant formulierten Flugblatt zu kontern.
Den Wahltag läutete die Hahn-Truppe schließlich mit dem Verteilen von Tausenden von Frühstücksbrötchen ein und bildete damit den Abschluss eines Wahlkampfs, über den man sicher noch lange reden wird.
Er war schlicht in jeder Hinsicht überragend.
Für mich war es die überraschendste und am perfektesten durchgeführte Werbekampagne, die ich jemals verfolgt habe.
Hut ab vor Marius Hahn und den (dem?) Menschen, die/der diese Wahlkampfstrategie entwickelt und konsequent bis zum Ende durchgezogen haben/hat.
Doch am faszinierendsten ist für mich dabei, dass mit dieser Kampagne keinem einzigen Wähler Marius Hahn „verkauft“ wurde.
Es ist etwas völlig anderes passiert.
Es ist gelungen, die Menschen von Marius Hahn zu überzeugen.

Das Umfeld
Von den im Stadtparlament vertretenen Parteien und Gruppierungen hatte es die CDU theoretisch am leichtesten, da sie ihren eigenen Kandidaten nominierte. Während des Wahlkampfs fiel die CDU-Fraktion aber nicht besonders auf, bis auf einen Einzelnen, der eine gewisse Präsenz zeigte und sich vor allem durch Aggressivität auszeichnete.
Die SPD Limburg bekannte sich klar zu Marius Hahn und unterstützte dessen Wahlkampf finanziell und logistisch. Eine ganze Reihe von Parteimitgliedern war auch in der Wählerinitiative aktiv. Rege zeigten sich die Jusos in der SPD, die mehrere Veranstaltungen zur Wahl organisierten und durchführten.
Die FDP lud als erste beide Kandidaten zu einem gemeinsamen Auftritt ein. Nach ihrer Wahlempfehlung pro Hahn zeigte sich Marion Schardt-Sauer im Lauf der Zeit immer mehr öffentlich und wandelte sich von einer Moderatorin zu einer begeisterten und überzeugten Wahlkämpferin mit hoher Präsenz.
Durch den schon intern sehr umstrittenen Beschluss, Stanke zu unterstützen, hatten die Grünen mehr mit den Folgen dieser Empfehlung zu kämpfen, als mit dem zum Gegner erklärten Marius Hahn. Nach der öffentlichen Debatte über die Wahlempfehlung, griffen die Grünen nur in Person eines einzelnen Mandatsträgers noch einmal ein, der sich von den Gerüchten nicht freimachen konnte, er strebe höchstselbst das Amt des Ersten Stadtrats an. Über Teilnahme an Stanke-Wahlkampfveranstaltungen durch die Grünen ist nichts bekannt.
Die Freie Wählergemeinschaft zeigte sich auf die so bekannte Art in ihrer ganzen Verlässlichkeit und sprach sich pro Stanke aus, nachdem der Vorsitzende dem Kandidaten Marius Hahn noch fest zugesagt hatte, die FWG würde keine Empfehlung veröffentlichen. Nach dem kleinen Coup zog sich die FWG aber wieder vollständig aus dem Geschehen zurück.
Von einer Wahlempfehlung der BZL ist mir nichts bekannt.
Rein rechnerisch hätte demnach Michael Stanke die Wahl klar gewinnen müssen, wären alle Wähler den Parteien und Gruppierungen gefolgt, die sie in die Stadtverordnetenversammlung geschickt hatten.
Das Ergebnis war bekanntlich ein anderes und die Wahlempfehlungen hatten allem Anschein nach für die Kommunalwähler nicht einmal den Charakter eines freundschaftlichen Rates.
Wie sah es aber mit anderen Interessengruppen und auch einflussreichen Einzelnen aus, die zur Meinungsbildung innerhalb von Limburg bisweilen beitragen?
Der Nochbürgermeister griff in den Wahlkampf nicht direkt ein, zeigte sich auf keiner Wahlveranstaltung und sprach auch keine Empfehlung aus. Nominell könnte dies seinem Status als Wahlleiter geschuldet sein, den er kraft Amtes innehatte. Als solcher hatte er sich neutral zu verhalten.
Der NBM versuchte jedoch trotzdem massiv Einfluss zu nehmen. Er überließ gefühlte 90% aller öffentlichen Auftritte ab der Nominierung dem Ersten Stadtrat.
Damit nicht genug. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren ist, stellte er ganze Teile der öffentlichen Verwaltung in den Dienst des Wahlkampfs von Michael Stanke. Hinter vorgehaltener Hand beschwerten sich reihenweise Mitarbeiter der Verwaltung, dass sie nicht mehr zu ihrer normalen Arbeit kämen, weil sie „Wahlkampftermine für den Stanke“ machen müssten. Die gesamte Kreativität der Verwaltung wurde operationalisiert, öffentliche Auftritte des Ersten Stadtrats in Massen zu kreieren, über die dann die Pressestelle in Wort und Bild berichten musste.
Geradezu grotesk war die Situation, als der CDU-Kandidat bei einer Verlegung von weiteren „Stolpersteinen“ in städtischem Auftrag unterwegs war und dort auch der Kandidat Marius Hahn auftrat, der in seiner Eigenschaft als zu der Zeit amtierender Stadtverordnetenvorsteher anwesend war. Da es der Wahlwerbebauftragten wider Willen (?) unmöglich war, Stanke alleine auf einem Foto zu verewigen, knipste sie lediglich die Stolpersteine selbst – und unterschlug im Pressebericht Anwesenheit und Wortbeitrag von Hahn.
Es war ein offenes Geheimnis im Rathaus, dass dieses als die Wahlkampfzentrale für Stanke missbraucht wurde, nur schwenkten die betroffenen Mitarbeiter maximal die Fahne der Limburger Widerstandskämpfer: In der Tasche geballte Schwarze Faust auf schwarzem Grund.
Niemand wagte es, sich öffentlich zu beschweren.
Die Industrie- und Handelskammer wurde über die Stadt ebenfalls für den Wahlkampf operationalisiert. Um dem Kandidaten Hahn sein Lieblingsthema Hochschule wegzunehmen, wurde über die IHK eine Befragung von Mitgliedern zu einem Dualen Studium durchgeführt. Das Ergebnis jedoch wurde nie veröffentlicht.
Einen Gesprächstermin mit Marius Hahn, in dem er sein Programm und seine Ideen vorstellen wollte, lehnte die IHK ab, weil man sich „neutral verhalten“ wolle.
Derlei Berührungsängste hatten die Pallottiner und die Evangelische Gemeinde jedoch nicht, die sich gerne anhörten, was Marius Hahn für die Zukunft Limburgs plante.
Auch die Kolpingfamilie zeigte Interesse an der lokalen Politik und veranstaltete einen Gesprächsabend, zu dem beide Bewerber eingeladen waren.
Genauso hielt es die Bürgerinitiative gegen die Südumgehung.
Der Cityring lud Hahn und Stanke ebenfalls zu unterschiedlichen Terminen ein, an denen sie dem Vorstand Rede und Antwort standen. Der Cityring gab keine Empfehlung an seine Mitglieder heraus. Doch es war auffällig, dass der Vorsitzende in der Schlussphase des Wahlkampfs, als Marius Hahn die Nöte der Innenstadt zum Thema machte und Lösungen präsentierte, eine hohe Präsenz und Interesse zeigte und auf Veranstaltungen Hahns immer wieder das Wort ergriff und seine Darstellungen und Perspektiven unterstützte.
Der Altstadtkreis äußerte sich zur Bürgermeisterwahl offiziell nicht. Ein ehemaliger Vorsitzender war Mitglied der Wählerinitiative und fiel anfangs durch kontraproduktive Beiträge auf, zog sich dann aber zurück. Ein anderes, omnipräsentes Exvorstandsmitglied bot sich wiederholt der Initiative an, aber man verzichtete dankend auf seine (bezahlten) Dienste.
Überraschend war, dass die streng konservative Vereinigung, die von gewissen lokalen „Politikerinnen“ als Sekte mit großem Gefahrenpotential geoutet wurde, die Rotarier, den Kandidaten Marius Hahn zu einem ihrer Treffen einluden, um mit ihm über die Stadtpolitik und Perspektiven zu plaudern.
Von den örtlichen Unternehmen mischten sich zwei ganz konkret in den Wahlkampf ein.
Ein alteingesessenes Geschäft für Sport- und Outdoorbedarf spendierte dem Treiben eine humoristische Note und ließ eine großformatige Karikatur anfertigen, die Hahn als aktiven Wanderer mit vollem Rucksack und Stanke als staunenden kleinen Jungen neben Übervater NMB zeigte.
Auch der Vorstandvorsitzende einer lokalen Bau AG gab den Wahlkämpfer. In einer riesigen, privaten Anzeige versuchte er darzulegen, warum Limburg einfach nur großartig dastünde und er warnte vor Hahnschen Plänen und Verfahren. Diese Äußerung ließ er aber ganz schnell wieder verschwinden, als er erkennen musste, in welch eklatantem Widerspruch diese zu Aussagen stand, mit denen der von ihm geförderte Michael Stanke einen Last-Minute-Feldzug versuchte.
Insgesamt lässt sich über das Engagement von Limburger Institutionen und Vereinigungen sagen, dass sie sich am Anfang des Wahlkampfs heraushielten, offenbar weil sie der allgemeinen Stimmung folgten, dass Hahn sowieso keine Chance hätte und der den meisten genehme und bequeme Kandidat ohne Zutun gewinnen würde.
Als der Urnengang näher rückte und die Stimmung einen unerwarteten Umschwung nahm, wurden alle sehr vorsichtig. Fast niemand wollte eindeutig Stellung beziehen und es wurden in flotter Folge die Fühler in Richtung Hahn ausgestreckt, um erste Kontakte herzustellen. Denn es sich mit einem Mann zu verderben, der plötzlich als Bürgermeister für wenigstens die nächsten 6 Jahre ernsthaft zur Debatte stand, wollte keine Organisation riskieren.
Einzig die Institution, die von Gesetz wegen zur Neutralität verpflichtet war, hatte mal wieder die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wie ich aus sicherer Quelle erfuhr, traf sich eine große Runde von Abteilungsleitern der Stadtverwaltung am Vorabend der Wahl und stieß schon einmal mit einem Gläschen Sekt auf den neuen Bürgermeister an: Michael Stanke…