Freitag, 27. März 2015

Mörderische Geisterfahrt - Was ist mit den Helfern?



Es war ein Mittwoch und ich wollte vom ICE-Bahnhof aus rechts abbiegen, als ich ein Martinshorn hörte und stoppte. Von Lindenholzhausen kam mit hoher Geschwindigkeit ein dunkler VW-Bus, mit vollem Konzert und einem Blaulichtbalken auf dem Armaturenbrett.
Ein solches Fahrzeug findet sich soweit ich weiß nicht im Fuhrpark der Limburger Polizeistation. Die Eile und die Richtung, aus der die Beamten kamen, sagten mir zweierlei. Es war etwas passiert. Und es war schlimm. Wirklich schlimm.
Zu Hause angekommen, bestätigte eine schnelle Recherche im Netz meine Befürchtungen. Ein Todesopfer durch einen Geisterfahrer auf der „Meil“ war zu beklagen. Doch was an Nachrichten kurz darauf folgte, war noch viel übler. Der Verursacher wurde von der Polizei angehalten und floh, entgegen der Fahrtrichtung. Und eine junge Frau musste deswegen sterben.
Mord?
Ich habe vier Kinder und das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist es, eins davon zu verlieren. Es sagt sich immer so leicht, dass die Gedanken bei der Familie, den Freunden und allen anderen Hinterbliebenen sind. Bei mir war sie es wirklich und sie ließen sich nicht leicht verdrängen, so sehr ich mich auch bemühte. Ich kenne diese Nächte leider aus eigenem Erleben. Nächte in denen man sich mit allem gegen das wehrt, was geschehen ist und es nicht wahr haben will. Doch man kann nur hilf- und fassungslos da sitzen und darauf warten, dass die Sonne vielleicht doch noch einmal aufgeht. Über einer Welt, in der nun ein Mensch für immer fehlen wird.
Ich dachte in dieser Nacht auch an andere. Wie würden sich die Polizisten fühlen, die beteiligt waren? Würden nicht auch sie immer wieder von vorne anfangen, mit denselben Gedanken? Was wäre gewesen, wenn? Hätten wir das verhindern können? Haben wir etwas falsch gemacht? Mussten wir damit rechnen, dass der Routineeinsatz in eine solche Katastrophe führen würde?
Der nächste Tag brachte neue Erkenntnisse, die all das Geschehen noch schlimmer machten. Viel, viel schlimmer. Ein Mann, der wegen exakt solcher Delikte im Gefängnis saß, hatte während eines Hafturlaubs genau dort weitergemacht, wo er aufgehört hatte. Er war ohne Führerschein und mit gestohlenen Kennzeichen zum Rasen gefahren.
„Mord“, war mein Gedanke.
Was er getan hatte, trug für mich alle Merkmale dieses Tatbestands. Doch resigniert dachte ich, dass am Ende vielleicht wieder einmal eine fahrlässige Tötung dabei herauskommen würde. Wenn überhaupt. Die mit Reststrafen aus anderen Taten zusammengelegt und mit einem ordentlichen Rabatt versehen dafür sorgen würde, dass der Täter bald wieder unter uns wäre. Und uns alle bedrohen würde. Mich genau so wie meine Kinder.
Doch es geschah ein Wunder in der Bischofsstadt. Die Staatsanwaltschaft teilte meine Meinung! Sie ermittelte tatsächlich wegen Mordverdachts gegen den Geisterfahrer. Angeblich hatte dieser angekündigt, genau so zu handeln, sollte ihn die Polizei noch einmal erwischen.
Die Ermittlungen haben nun ein Ende. Die Presse meldet fälschlicherweise, dass Anklage wegen Mordes gegen den (mutmaßlichen, jaja…) Verbrecher erhoben wird. Wie mich ein freundlicher Kollege (ich bezeichne den betreffenden, freien Reporter jetzt einfach mal als solchen, auch wenn er mir selbst den Status eines Journalisten nicht zubilligt) hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Staatsanwaltschaft bis jetzt lediglich die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Mordes beantragt hat. Ob dem stattgegeben und die Anklage zugelassen wird, muss nun das Gericht entscheiden.
Es bleibt abzuwarten, was geschehen wird.
Was mich aber immer wieder beschäftigt sind Fragen. Fragen, die einfach nicht gestellt werden, obwohl sie doch so naheliegend sind. Für mich zumindest. Dabei sind sie meiner Meinung nach für die vollständige Aufklärung und insbesondere das Nachvollziehen von Verantwortlichkeiten zentral.
Kleine Presseschau: Bundesweites Aufsehen
Bis jemand wegen Verkehrsdelikten wie Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wird, muss er genau dieses Delikt zigmal verübt und den Langmut auch des verständnisvollsten Richters bis zum Zerreißen strapaziert haben. Bei dem Täter war das der Fall. Aber obwohl er damit erwiesenermaßen eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellte, erhielt er Hafturlaub.
Wer hat diesen genehmigt?
Wie sollte sichergestellt werden, dass er nicht umgehend wieder hinter dem Steuer eines Autos sitzt?
Gab es psychologische Gutachten? Sozialprognosen? Und falls ja, wie falsch durften diese sein?
Hat ihn während seines Hafturlaubs jemals irgendjemand überraschend besucht um zu sehen, was er so treibt?
Nichts davon wurde jemals erörtert. Und die Fragen gehen noch weiter.
Wieso war ein Mann mit einer solchen Strafe noch Eigentümer eines Autos?! Warum wurde dieses als Tatwerkzeug seiner vorherigen Vergehen nicht eingezogen?
Wer wusste davon, dass der spätere, mutmaßliche Mörder diesen Passat besaß? Wo war das Auto geparkt? Wer hat die Schlüssel verwahrt und wie ist der Täter an sie gelangt? Hat sie ihm jemand gegeben? Hat jemand gesehen, dass er mit diesem Wagen gefahren ist? War es vielleicht nicht das erste Mal?
Je tiefer man gräbt, desto weniger Antworten findet man.
Der Wagen fiel der Streife auf, weil er Kennzeichen trug, die als gestohlen gemeldet und in der Fahndung waren.
Seit mehr als einem VIERTELJAHR!
Wie war es möglich, dass ein bekannter Straftäter einen nicht zugelassenen Wagen besaß, an dem gestohlene Kennzeichen befestigt waren? Und offenbar bei jedem Hafturlaub mit diesem Auto in der Gegend herum raste, ohne dass IRGENDJEMANDEM das auch nur ein einziges Mal auffiel?
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Umfeld des (mutmaßlichen, jaja…) Täters haben erst dazu geführt, den Mordverdacht in Betracht zu ziehen.
Das wirft für mich aber eine ganz zentrale Frage auf: Wer wusste was?
Kann man wirklich so tun, als sei jemand in der Lage, völlig unbemerkt solch ein Verhalten an den Tag zu legen? Ist nicht eher zu vermuten, dass der für genau diese Taten Verurteilte über einen gleichgesinnten Freundeskreis verfügt, der bestens Bescheid wusste, was er bei jedem Hafturlaub trieb? Einen Freundeskreis, der sich vielleicht mit ihm gemeinsam über die blinde und dämliche Justiz und Polizei mokierte, die überhaupt nichts mitbekam?
Es gibt keine Pflicht, ein Verbrechen zu melden, das einem bekannt wird.
Aber wer eine GEPLANTE Tat, von der er Kenntnis erhält, nicht anzeigt, macht sich strafbar.
Und von dort zur Beihilfe ist es nur ein ganz kleiner Schritt.


Dienstag, 24. März 2015

Zum Fußball: Die peinliche Verwandtschaft



Vor einigen Jahren feierte ein (hauptsächlich) Fußballverein Limburgs sein hundertjähriges Bestehen. Als ganz großes Highlight wurde die Teilnahme des DFB Präsidenten angekündigt, exklusiv vermittelt durch einen Mann in Diensten des Balltreterbundes, der sonst für die Farbe der Tischtennisplatten im Nationalmannschaftshotel und die Härte der Matratzen zuständig war. Aber er hatte das geneigte Ohr des Herrschers und konnte den Auftritt vermitteln. Groß war die Überraschung, als Dr. Theo Z. auch an den Folgetagen zum fröhlichen Mitfeiern auf dem Sportgelände auftauchte. Man klopfte sich stolz auf die Schultern und betrachtete es als besondere Ehre, dass es dem Präsidenten bei dem kleinen Amateurverein im Niedergang so gut gefiel.
In den Folgejahren hätte sich diese Einschätzung relativiert, hätte jemand genau hingesehen und darüber nachgedacht. Der präsidiale Besuch war keine Ausnahme gewesen. Er war die Regel.
Kleine Begeisterung, feierlich-dörflich
Getreu dem Motto „keine Feier ohne Meier“ zeigte sich der Doktor der Rechte auf praktisch jeder Jubiläumsveranstaltung der näheren und weiteren Umgebung. Kein Dorfverein, dessen Einladung er ausgeschlagen hätte. Es war überhaupt nicht schwer, Dr. Theo Z. zu kriegen. Man konnte ihn kaum vermeiden. Es hatte seinen Grund, dass der nominelle DFB Präsident in den Niederungen des Fußballs omnipräsent war. Bei den Profis wollte ihn nämlich nach Möglichkeit niemand sehen.
Er wohnt um die Ecke in der Nachbargemeinde und er ist in Limburg zur Schule gegangen. Von daher ist er durchaus ein Limburger Thema. Er ist sozusagen Familie. Leider. Denn er gehört zu der peinlichen Verwandtschaft.
Aktuell ist er ein letztes Mal mit einem kurzen Bericht in den Schlagzeilen, weil er die UEFA brüskiert, indem er nicht einmal seiner eigenen Verabschiedung beiwohnt. Man schüttelt den Kopf, stöhnt und atmet gleichzeitig erleichtert auf, dass man nun auch in Fußballeuropa mit dem Mann nichts mehr zu tun hat.
Er war der Vorgänger des aktuellen Präsidenten, dessen spröden Steuerprüfercharme man sicher nicht mögen muss. Aber die kalte, technokratische Herangehensweise (nebst der als erstes gesicherten Selbstversorgung für sein „Ehrenamt“…) dokumentiert nur, was der einstige Sport heute ist: Das entmenschlichte Wirtschaftsunternehmen Fußballdeutschland.
Dr. Theo Z. war anders. Als Möchtegern-Patriarch der 50er-Jahre-Mittelkreis-Hipp-hipp-hurrah-Schule war er zu 100 % merkbefreit, was die Vorgänge der modernen Sportökonomie betraf. Und er war so gestrickt, dass er einfach nicht in der Lage war zu erkennen, dass er lediglich die Reihe der höchstpeinlichen DFB-Präsidenten fortsetzte, denen nur die Rolle eines Grüß-Augusts zugedacht war. Die Strippen zogen im Hintergrund ganz andere.
Große Begeisterung, städtisch
Aber Dr. Theo Z. glaubte fest daran, dass man ihn wegen seiner überragenden Sachkenntnis und Führungsqualitäten in dieses Amt gehoben hätte – und erklärte alles zur Chefsache. Mit verheerenden Folgen. Das Gedächtnis des Fußballfans an sich ist sehr kurz, denn er giert ja immer nach der nächsten Meisterschaft. Doch man wird sich immer daran erinnern, dass der Weg durch die Präsidialzeit des Theo Z. mit Katastrophen gepflastert war. Ob es der große Bestechungsskandal war, Gezerre um Vertragsverlängerungen mit dem Bundestrainer oder die Affäre (die sich kein noch so fantasiebegabter Autor auszudenken gewagt hätte) in der ein Schiedsrichterverantwortlicher seine Unterlinge nach ihren körperlichen Vorzügen und ihrer Willigkeit aussuchte und sie bis in die Bundesliga lobte, immer stand der Präsident mit seinen Wortmeldungen und Stellungnahmen in der ersten Reihe. Lange BEVOR irgendjemand wusste, was wirklich Sache war, schwätzte Opa drauflos. Innerhalb des Hauses trieb er die Presseabteilung in den Wahnsinn und entmachtete einen Top-Profi für Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation. Um dann mit tölpelhafter aufgesetzter Selbstsicherheit in jeden Fettnapf zu platschen, der herumstand. Oder auch weit entfernt. Dann machte Theo Z. einen Umweg. Aber er fand ihn.
Er war wichtig. Wirklich wichtig. Dachte er. Und es gab kein Thema, zu dem er nicht eine (von Tatsachen und Erkenntnissen Sachkundiger unbeleckte) Meinung hatte. Oft genug war diese tagesaktuell das Gegenteil dessen, was er die Woche zuvor in ein anderes Mikrofon gestammelt hatte.
Bis zu seiner Demission konnte ihn nichts und niemand davon überzeugen, dass er seine realen Fähigkeiten völlig falsch einschätzte. Ein kleiner Hofstaat von Speicherleckern in seinem großen Schatten genügte ihm, um ihn in seiner Gottgleichheit und Unfehlbarkeit zu bestätigen.
Der ganze Verband atmete nach seiner Demission auf. Zu früh gefreut. Praktisch sofort begann der Allwissende nun, heftig nachzutreten. Er schrieb ein Buch, das seine ganz eigene Sicht der Dinge zeigen sollte – und keinen interessierte es. Er wäre so gerne durch alle Talkshows gewandert um opaesk den Enkelchen Fußball und die Welt zu erklären – aber niemand bot ihm einen Stuhl an.
Kein Mensch in einer Führungsposition im deutschen Fußball lud ihn zu irgendeiner Veranstaltung ein. Der Ex-Präsident war gekränkt und keilte beleidigt aus. Immer wieder – und erntete am Ende nur leicht genervte Reaktionen. Wie sagte auf Nachfrage ein Vorstand eines DFL Teams? „Niemand von uns weiß, was Theo Z. denkt. Weil niemand von uns mit ihm redet.“
Es kann einer Organisation nichts mehr schaden, als wenn jemand, der als Front-Marionette vorgesehen war, die Fäden durchschneidet, ungesteuert lostappst und denkt, er müsse tatsächlich den Anführer geben. Jede „Chefsache“ wird dann sehr schnell zum Horrorszenario. Insofern schließt sich der Kreis zum Anfang dieses Artikels. Auch der ungenannte Jubiläumsverein hatte seinen Grüß-August gefunden, der dann dummerweise glaubte, er sei der Boss. Nachdem er den Verein Jahre in seiner umfassenden Ahnungslosigkeit konsequent in den Abgrund geführt und mit seinen peinlichen Auftritten und Verlautbarungen lächerlich gemacht hatte, wurde ihm groteskerweise nach seinem lange überfälligen Rücktritt die Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Das wird Dr. Theo Z. beim DFB sicher nicht passieren. Und er wird ganz sicher auch nicht Ehrenpräsident. Der Jurist konnte dem DFB nicht langfristig schaden. Obwohl er alles unternommen hat, das zu erreichen. Nun ist er seinen letzten, offiziellen Posten los. Hoffentlich, hoffentlich hört man jetzt nie wieder von ihm, dem Peinlichsten unter unseren peinlichen Verwandten.

Sonntag, 22. März 2015

Dreck muss weg. Aber wie? Und wo?



Ich muss es jetzt einmal in aller Deutlichkeit sagen: Der Mann geht mir auf die Nerven und sägt an diesen mit einem rostigen, schartigen Blatt. Ganz gleich, zu welcher Veranstaltung einer der Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters einlädt, sobald es um Wortmeldungen aus dem Publikum geht, steht der übliche Verdächtige auf und an erster Stelle. Was der ehemalige Vorsitzende einer lokalen Krämervereinigung dabei in (zugegeben) gut formulierten, vollständigen Sätzen von sich gibt, gibt sich harmlos. Extrahiert man aus dem Wortgeklingel aber den Gehalt, muss man davon ausgehen, dass der Redner als U-Boot des noch amtierenden Bürgermeisters agiert. Zu dessen Haupt- und Lieblingsthesen gehört bekanntlich, dass der Limburger Bürger an sich absolut kein Interesse daran hat, sich an irgendwelchen Entscheidungen zu beteiligen. Angeblich kommt er immer erst hinterher, wenn er meckern und motzen kann. Dasselbe gab besagter Ex-Ladenbesitzer nun schon mehrfach sinngemäß von sich, ohne auch nur eine Millisekunde darüber nachzudenken, wieso es ihm selbst nie gelungen ist, seine ureigene Klientel zur Aktivität zu veranlassen. Wenn solch ein Lobbyistenverband nichts auf die Reihe bekommt, dann stinkt es nicht nur auf dem Fischmarkt vom Kopf her.
Einzelkämpfer, hilfloser
Kann man diese Aussagen noch als beleidigtes Nachtreten eines Exchefchens betrachten, dem innerhalb eines unbedeutenden Vereins die Gefolgschaft verweigert wurde, wiegt eine andere Äußerung sehr viel schwerer. Der Noch-Bürgermeister betrachtet die Säcker als solche ja als Ferkelwurf, der seine Stadt nicht sauber halten kann und will. Ganz genauso sieht es offenbar besagter Ex-Oberkleinrämer. „Die Altstadt sieht aus wie Hund!“, rief er unlängst, und prangerte Faulheit und Desinteresse der Anwohner und Geschäftsleute an Sauberkeit an und drohte schon einmal in unautorisiertem Stellvertretertum mit einer neuen Kehrsatzung.
Diese seine Aussage bedarf einer genaueren Analyse.
Sieht die Altstadt aus wie Hund?
Ich denke: Nein. Die Altstadt sieht nicht aus wie Hund, sie sieht nicht aus wie Katz, sondern sie sieht aus, wie jede Stadt nun einmal nach dem Winter aussieht. Nicht umsonst gibt es jedes Frühjahr allerorten organisierte Säuberungsaktionen, um den Dreck der dunklen Jahreszeit wegzuschaffen.
In der Altstadt mit ihrem dafür geradezu erfundenen Pflaster finden sich nun in erster Linie Papier und Zigarettenkippen, die durch den Wechsel von Nässe, Schnee (dieses Jahr weniger, ja…), Kälte, Wärme und Begehung die Konsistenz von Pappmaché angenommen haben und in Ritzen und Riffeln hängen und nur schwer zu entfernen sind.
Ob dies die Aufgabe von Anwohnern und Geschäftsleuten sein kann, wäre zu debattieren. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach gehört es zu den hoheitlichen Aufgaben der Stadt, derlei nun zu beseitigen. Das geschieht aber nicht. Wenn eine Stadt durch Nichtreinigung dokumentiert, dass sie keinen Wert auf Sauberkeit legt, ist die Tendenz groß, auch das eigene Papier kurzerhand fallen zu lassen. Das ist nur menschlich und Dreck zieht Dreck an.
Doch dazu kommt in der Limburger Altstadt noch ein ganz anderes Phänomen, das meines Erachtens hauptverantwortlich für einen großen Teil des Straßenschmutzes ist. Das heißt, verantwortlich dafür sind diejenigen, die die Umstände bisher weder erkannt oder beachtet haben und schon gar nichts zu ihrer Beseitigung beigetragen haben. Oder denen sie schlicht und ergreifend gleichgültig sind.
Suchbild Finde den Mülleimer!
Oder hier?
Unterstellen wir einmal jedem Besucher dieser schönen Stadt einen guten Willen und die Absicht, seinen Dreck nicht einfach fallen zu lassen. Dann ergibt sich für diesen die drängende Frage: Wohin damit? Der Mensch als solcher ist bequem. Wenn man etwas von ihm will, hat man die größte Aussicht auf Erfolg, wenn es ihm keine Mühe macht, unserem Wunsch nachzukommen.
Übersetzung: Wenn ich von Besuchern will, dass sie ihren Müll nicht einfach auf den Boden werfen, muss ich ihnen einen Platz dafür anbieten. Dieser sollte leicht zu erreichen sein. Idealerweise liegt er direkt an dem Weg, den mein Besucher sowieso geht.
Doch genau daran krankt die Altstadt.
Kurz und prägnant: Es gibt VIEL ZU WENIG ABFALLBEHÄLTER. Die, die es gibt, sind in den wenigsten Fällen sinnvoll platziert. Meine ganz private These ist, dass ich dann die besten Chancen habe, Besucher dazu zu bringen, meine Mülleimer zu benutzen, wenn er von jeder Stelle in der Altstadt aus mindestens einen Müllbehälter sehen und diesen ohne besonderen Umweg erreichen kann.
Das ist aber leider nicht der Fall. An manchen Ecken halten die Plastikkübel Betriebsversammlungen ab, während sie sich aus anderen Straßen ganz verkrümelt haben.
Dies ist Problem Nr. 1. Zu wenige und ungünstig platzierte Abfallbehälter.
Betriebsversammlung des AG Abfallbehälter. Alle drei da.
Das zweite Problem ist direkt mit einer Entwicklung verbunden, die auf jeden Fall zu einer erheblichen Steigerung des Wohlbefindens der Menschen geführt hat: Die Ächtung des Rauchens in Räumen. Die Zahl der Raucher jedoch ist nur wenig zurückgegangen. Lokale haben aschenbecherbewehrte Suchtstationen vor ihren Eingängen eingerichtet. Doch Praxen, Büros und Behörden nur in den seltensten Fällen. Der Raucher als solcher ist ein Frischluftphänomen geworden, mit dem Resultat, dass er den Abfall, den er produziert, nun nicht mehr im heimischen Aschenbecher deponiert, sondern mit nach draußen schleppt.
Aber wohin damit? Höchstens ein Promille der Raucher trägt einen Taschenaschenbecher mit sich herum. Wer in Limburg eine Kippe loswerden will, ist praktisch ohne Chance. Es gibt einfach keine öffentlichen Aschenbecher! Die Stummel landen daher auf der Straße oder höchstens noch (was nicht viel sinnvoller ist) symbolträchtig im Gully, gemäß dem Motto: „Ich hab’s ja versucht“. Ich bin selbst kein Raucher und brauche auch keinen, der mir seinen Dreck ins Gesicht bläst. Aber sogar ich konstatiere, dass viele der Süchtigen tatsächlich guten Willens sind, ihre Kippen NICHT einfach fallen zu lassen. Wenn man sich die Abfallbehälter anschaut, die tatsächlich in der Stadt hängen, wird man feststellen, dass diese zum großen Teil im oberen Bereich massive Brandschäden aufweisen. Durch dort ausgedrückte Zigarettenkippen, die dann in den Behältern landen. Was nicht immer das Beste ist – ich habe im letzten Sommer den einen Mülleimer gegenüber zweimal löschen müssen…
Schöner rauchen.
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Limburger Altstadt?
Ganz einfach. Es müssen dringendst mehr Abfallbehälter angeschafft und aufgehängt werden, die nie überquellen dürfen. Alle müssen über einen Ascherbereich verfügen. Die Müllbehälter müssen einheitlich sein und so platziert werden, dass man von jedem von ihnen aus den nächsten sehen und einfach erreichen kann.
Das obligatorische Gejaul aus den Reihen des Magistrats „Habt Ihr eine Ahnung, was das KOSTET?!“, möchte ich wie folgt beantworten.
Ja. Ich habe eine Ahnung, was das kostet. Im Einzelhandel erhält man Stahlbehälter mit Ascher ab 200,--€. Selbst wenn man nun von einem Luxusmodell ausgeht, dürfte dieses mit Pfosten, so erforderlich, für maximal 400,--€ gebrauchsfertig zu installieren sein. 50 (fünfzig) Abfallbehälter (die es wohl nicht brauchen wird…) wären damit für gerade einmal 20.000,-- € zu haben.
Zur Erinnerung: Das unsägliche Mitmachmuseum hat im Lauf seiner Nichtrealisierung mindestens eine halbe Million Euro verschlungen, ohne dass der Bürger am Ende irgendetwas davon gehabt hätte. Von diesem Geld hätte man 1.250 (eintausendzweihundertfünfzig) Abfallbehälter kaufen können.
Ich wage einmal eine Prognose. Ich bin sicher, dass man das Abfallaufkommen auf den Straßen der Altstadt durch sinnvolle Behälterplatzierung und –zahl mindestens halbieren kann.
Es müsste nur nach Möglichkeit vor der kommenden Saison durchgeführt werden. Ob es da wohl eine Chance gibt? Wahrscheinlich eher nicht. Sicher muss erst einmal ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. Für 50.000,-- €…


Donnerstag, 19. März 2015

Doppelt hält besser! Beschließt LM haushaltstechnische Zeitbombe?



Ein Märchen: Hans-Peter war einmal Straßenfeger. Zumindest hat er vor über 48 Jahren als solcher angefangen. Heute heißt sein Beruf Fachkraft für Infrastrukturhygiene. Hans-Peter ist Fachkraft. Dazu musste er in den letzten Jahren sieben Fortbildungskurse belegen und drei Zertifikate erwerben. Er schwingt seinen Besen noch immer mit der gleichen Bewegung, die ihm vor mehr als einem halben Menschenleben Alfred innerhalb einer Woche beigebracht hatte. Aber Hans-Peter hat jetzt jede Menge Urkunden, auf denen steht, dass er es kann und richtig macht. Hans-Peter wird in einem Jahr in Rente gehen. Die Stadt braucht einen Nachfolger für ihn und hat ihn gefunden. Juri hat studiert. Infrastrukturhygiene. Er hat einen Bachelor darin und wird im nächsten Jahr seinen Master erwerben. Dann soll er Hans-Peters Job übernehmen und die Straße so schön sauber fegen, wie dieser es seit bald 50 Jahren tut. Aber um dem Straßenpflaster den Übergang von Hans-Peter zu Juri zu erleichtern, stellt die Stadt Juri schon heute ein. Im kommenden Jahr wird Hans-Peter ihn dann einweisen. Er wird ihm die besonders schmutzigen Ecken zeigen und wie man das herumgewehte Papier aus den Buchsbüschen bekommt. Er wird ihm klarmachen, dass für die Mülltonne an der Stadtkirche der Leerungsrhythmus bei weitem nicht ausreicht und er diesen selbständig verdoppelt hat, weil sein Antrag von vor sechs Jahren noch immer zur Beratung im Magistrat liegt. Wenn das Jahr um ist, weiß Juri alles, was er wissen muss. Dann kann er alles, was er können muss. Und er hat seinen Master, weil er nebenbei ja noch studiert. Sein volles Gehalt und Urlaub hat er in den vergangenen 12 Monaten schon bekommen.
Hans-Peter wird einen Teller mit Stadtwappen zur Verabschiedung erhalten und Juri einen neuen Besen. Vielleicht, wenn der Antrag durchgeht. Und alle sind glücklich.
Ein Märchen?
Ja. Doch nur im Prinzip. Bei den Straßenkehrern wird in Limburg ein solches Verfahren nicht eingeführt. Aber folgen Haupt- und Finanzausschuss und Stadtverordnetenversammlung der Vorlage des Magistrats, dann soll es in Zukunft für die Stellen von Behördenleitern bzw. Beamten im technischen Bereich genau so etwas geben.
Der Magistrat will sich ermächtigen lassen, für Stellen, deren Inhaber innerhalb des jeweils nächsten Jahres in Rente gehen, für 12 Monate (!!!) eine Doppelbesetzung durchzuführen.
In den nächsten 10 Jahren werden insgesamt 83 Mitarbeiter in den betreffenden Positionen ausscheiden. Das bedeutet, dass für die kommenden 10 Jahre im Schnitt für 8 leitende Stellen das DOPPELTE an Personalkosten entstehen soll! Hier geht es um Summen im mittleren, sechsstelligen Bereich, die der Bürger aufbringen muss für… ja, für was eigentlich?
Wie verwalten? Akademische Herausforderung.
Wenn in der freien Wirtschaft eine Stelle zu besetzen ist, wird ein gemäß der Ausschreibung qualifizierter Bewerber genommen, von dem nach kürzester Einarbeitungszeit erwartet wird, dass er dann seinen Job ausfüllt und beherrscht. Welches Unternehmen kann es sich leisten, irgendwen irgendwo hinzusetzen, damit er erst einmal ein Jahr lang zuschaut, wie es sein Vorgänger jahrzehntelang (und sicher nicht immer effektiv…) gemacht hat?!
In Limburg soll genau das geschehen. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um Quantenphysik. Es geht um Verwaltungs(un)wesen. Die Ausschreibungen werden die Anforderungen an den Bewerber ganz sicher wie vorgeschrieben vollständig offenlegen. Wer es dann nach der Einstellung nicht schafft, innerhalb weniger Wochen seinen Job in den Griff zu bekommen, ist ganz einfach dafür nicht qualifiziert!
Oder, ganz klar in deutscher Prosa: Was für eine Sorte akademischer Vollpfosten sucht die Stadt Limburg eigentlich, wenn sie davon ausgeht, dass die Neuen ein Jahr lang (12 Monate = 365 Tage) brauchen werden, um ihren Schreibtisch und das Päckchen mit den Büroklammern zu finden?!
Wer immer den Sessel im Hauptbüro des Rathauses in Zukunft besetzen wird: Sein Vorgänger ist gerade dabei, ihm ein Erbe zu bereiten, das Limburg in Sachen Personalwesen und vor allem –kosten ein volles Jahrzehnt lähmen wird.
Hoffentlich hat wenigstens das eine oder andere Ausschussmitglied einmal wirklich in die Vorlage geschaut und den Tischrechner bemüht. Selbständig, denn konkrete ZAHLEN (neben denen bezüglich der zukünftigen Rentner) enthält das Papier keine.
Aber es steht zu befürchten, dass der Haupt- und Finanzausschuss wieder einmal den üblichen Abnickverein für bürgermeisterliche Vorlagen geben wird und Nachfrager ignoriert bzw. niedergebrüllt werden.