Freitag, 17. Oktober 2014

Autobahnbrücke oder: die einzig mögliche Meinung



Zurzeit wird in Limburg wieder einmal eine Sau durch‘s Dorf getrieben und wieder einmal mit überregionaler Beachtung. Erneut ist es ein Kreuz, das Aufmerksamkeit erregt, doch keins, das von einem Ex-Bischof aus seinem Palast geschleppt wird.
Es ist das Kreuz mit der alten Autobahnbrücke.
Ein fast lokaler Unternehmer möchte sie haben, bebauen und nutzen und der Stadtregent ist auf den fahrenden Zug gesprungen, wie er es schon immer bei jeder Idee getan hat, die nicht seine ist, ihn aber in die Schlagzeilen bringt.
Doch dieses Mal hatte er sich verrechnet. Das bürgermeisterliche Agieren der jüngeren Vergangenheit ist inzwischen sehr vielen Bürgern nicht mehr nachvollziehbar. Der Drang, alles zur Chefsache zu erklären und im kleinen Kreis geheim auszukaspern, hat ihm schon einige herbe Niederlagen beschert, wie zuletzt bei dem Museum für kommunalen Schwachsinn („ZeitWERK“).
Es hat sich der Verdacht gefestigt, dass bei allem, was der Bürgermeister anfasst, der Nutzen für eine sehr kleine Zahl eher Unbekannter in der Regel groß, der für den Bürger tendenziell klein bzw. gar nicht vorhanden ist. Nur zahlen und ausbaden muss er es.
In dem Augenblick, in dem der Chefsachenstatus der Autobahnbrücke ruchbar wurde, war also klar, dass nicht Horden von Jubelpersern vor das Rathaus ziehen und begeistert Fähnchen schwenken würden. Es passierte vielmehr etwas, das man in Limburg so eher selten erlebt. Es formierte sich Widerstand, der sich bestens organisierte, einen guten Draht zu Medien hatte und es so innerhalb kürzester Zeit schaffte, in Bezug auf die Bebauung der Autobahnbrücke die Deutungshohheit für die Öffentlichkeit zu erlangen und etwas zu forumlieren und damit alle Gebetsmühlen zu bestücken: die einzig mögliche Meinung (EMM).
In einem geschickten Konglomerat von trotzigem ICH-WILL-DAS-NICHT, wiederholten Halbwahrheiten und tagesaktueller Pseudoökologie gelang es den beiden Anti-Gruppen, massivst Stimmung zu machen.
So viel Stimmung, dass es eben nur noch besagte EMM zu geben scheint.
Das große NEIN!
Befördert wurde ebendiese EMM, wie oben angesprochen, durch die Müdigkeit der Limburger bezüglich der nun zum Erbrechen bekannten Klüngelpolitik und den unterschwellig vorhandenen ersten Bürgerpflichten: Missgunst, Neid und Fremdenfeindlichkeit. Wer in Limburg an diese appelliert, hat schon gewonnen. Es gibt kaum eine Kommune, die einem potentiellen Investor grundsätzlich so feindlich gegenübersteht, wie Limburg und diejenigen, die von diesem Sperrfeuer verprellt wurden, sind Legion. Grundsätzlich wird jedem, der in Limburg Geld für etwas in die Hand nimmt, sein Wohlstand geneidet und es werden ihm automatisch unlautere Absichten unterstellt. Wenn er dann auch noch ein Auswärtiger ist, hat er erstrecht keine Chance.
Brücke steht. Noch.
Besonders krass wird es aber, wenn es sich um jemanden handelt, der fast, aber eben nur fast Limburger ist. Alles jenseits der Kernstadt ist aber feindliches Gebiet, Stadteilbewohner nur Beutelimburger der Gebietsreform und wer immer von dort investieren möchte, ist ein neureicher Dörfler.
Die Geduld und Langmut, mit der der potentielle Investor der Brückenbebauung das über sich ergehen lässt und trotz aller Irrationalität Gespräch und Konsens sucht, ist bewundernswert.
Wohlgemerkt, die Haltung ist meines Erachtens zu begrüßen, genauso wie die Idee hochgradiger Nachhaltigkeit, ein vorhandenes Bauwerk, das seinem ursprünglichen Zweck nicht mehr dienen kann, einem anderen zuzuführen.
Das Prinzip halte ich für richtig.
Die Planung nicht.
Die gesamte Debatte wird leider digital geführt. 1 oder 0. Ja oder nein. Für eine differenzierte Abwägung ist keinerlei Platz, dabei wäre die gerade dringend notwendig. Meines Erachtens ist nicht die Idee, die Brücke zu nutzen das große Problem, sondern der Entwurf. Genau so etwas bekommt man, wenn man seinem Architekten freie Hand lässt. Was da geplant ist, ist einfach nur von einer grotesken Hässlichkeit. Es ist mir schleierhaft, wie es Architekten immer wieder hinbekommen, vollkommen geschmacksfreie Entwürfe zu produzieren und sich dann auf Gefasel von Linien und Schlichtheit zurückzuziehen, wenn man kritisch hinterfragt. Diese kubischen Karzinome an den Brückenpfeilern sehen aus, als ob die Hertiekaufhäuser der 70er Jahre ihre unehelichen Enkel über dem Lahntal abgeworfen hätten.
So etwas zu präsentieren MUSS doch einfach abschrecken. Warum hat man sich nicht die Mühe gemacht, auch andere Architekten um Vorschläge zu bitten? Warum werden nicht einfach die Böschungswinkel ausgebaut, so dass der Fluss selbst frei bleibt, mit luftig, großzügig verglastenund geschwungenen Bauten darüber und einem Park zwischen den Gebäuden?
Es wäre möglich, etwas wirklich Modernes und Ästhetisches zu schaffen. Wenn man die richtigen Leute daran lässt.
Was aber jetzt präsentiert wurde, ist fantasiefrei und sieht aus, als ob ein 5-jähriger ein Brückenmodell seines Vaters mit Bausteinen aus seiner Duplo-Kiste verunstaltet hätte.
Ich denke nicht, dass dieser Entwurf konsensfähig und durchsetzbar ist. Doch leider wird mit diesem auch die Grundidee zu Grabe getragen, weil der abstoßende Anblick (da hilft auch kein Bürgerwettbewerb „Wir malen unseren Bunker an“…) jede grundsätzliche Auseinandersetzung  mit dem Thema unmöglich macht.
Schade. Limburg hätte in vieler Hinsicht profitieren können. Doch nun scheitert eine Vision an Talentfreiheit und untermaßigem Gestaltungsgeschick.

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