Dienstag, 9. Juni 2015

Die Lindenholzhäuser Affäre oder: Was sprach der Kandidat?

Es sind schon wieder einige Wochen vergangen, seitdem sich die Gemüter vor und besonders hinter den Kulissen wegen einer kleinen Pressemeldung erhitzten.
Die Angelegenheit ist schon fast in Vergessenheit geraten. Doch sie bekommt nun einen gewisse, pikante Note, denn bei dem "NNP-Forum" heute Abend in der Stadthalle (9.6.2015, 19:00 Uhr) sitzen sich mit Michael Stanke und dem Chefredakteur der NNP erstmals die beiden Hauptprotagonisten dieser Affäre direkt gegenüber.
Nach wie vor sind einige wesentliche Fragen nicht geklärt und keiner von beiden hat einen Versuch unternommen, weiter Licht ins Dunkel zu bringen.
Ob die Sache wohl heute Abend eine Rolle spielt? Man darf auf jeden Fall gespannt sein.
Was war eigentlich geschehen? Wie es sich für eine gute Geschichte gehört, fängt alles ganz harmlos an, nämlich mit einem Bericht in der NNP. Ein privat finanziertes, privat zu bauendes und später privat betriebenes Seniorenzentrum hatte den ersten Spatenstich. Es kamen und gruben einige Menschen, darunter der Erste Stadtrat. Über das Ereignis wurde von der NNP in zwei Spalten berichtet, wobei fast die Hälfte des Textes Repräsentanten der CDU vorbehalten war, die ihre Verdienste an der Unternehmung herausstellten. Michael Stanke wurde abgebildet, im Text vielfach erwähnt und seiner Rede wurden gleich mehrere Absätze gewidmet. Es war also ein Bericht, wie er in der Nassauischen Neuen Presse üblich ist.
In diesem Artikel vom 12. Mai stand, dass Stanke während seiner Rede angeführt habe, er hätte bei Hausbesuchen in Lindenholzhausen von Senioren erfahren, wie groß das Interesse an der neuen Wohnanlage sei. Bei Hausbesuchen, die er in seiner Eigenschaft als Bürgermeisterkandidat gemacht habe.
Das fiel einigen Lesern auf. Insbesondere stand dieses Verhalten im krassen Gegensatz zu den Behauptungen Michael Stankes, er würde Wahlkampf ausschließlich in seiner knapp bemessenen Freizeit führen und keinesfalls Dienstgeschäfte mit seinen persönlichen, politischen Ambitionen vermischen. Ein solcher Ausspruch und besonders die ausführliche Referenz auf seine Kandidatur sowie seine Art der Stimmenwerbung während eines Auftritts, der rein dienstliche Natur hatte (er war als Stellvertreter des Bürgermeisters vor Ort), waren mit diesem Ethos nicht in Einklang zu bringen.
Der DOM-ZOO widmete dem Vorgang einen Artikel, in dem einige Fragen gestellt wurden.
Falls Michael Stanke die betreffenden Äußerungen getätigt hat, wäre das sicher nicht gut. Nicht für ihn, nicht für sein aktuelles Amt, nicht für seine Bewerbung als Bürgermeister. Es wäre vielleicht ungeschickt, tollpatschig oder ein wenig frech. Möglicherweise auch nur ein Irrtum, auf welcher Veranstaltung er sich gerade befand.
Aber der Erste Spatenstich in Lindenholzhausen an sich war ganz bestimmt keine Politaffäre.
Zu der wurde er erst gemacht.
Durch das, was dann folgte.
Am 15. Mai erschien in der NNP ein Dementi unter der Überschrift „Korrektur“. Darin wurde berichtet, Stanke lege Wert darauf, dass er keineswegs das gesagt habe, was in der NNP berichtet wurde. Er hätte außerdem noch überhaupt keine Hausbesuche in Lindenholzhausen gemacht.
Diese „Korrektur“ wiederum nahm ich zum Anlass, meinen Artikel zu bedauern und besonders, dass ich die Integrität Michael Stankes bezweifelt hatte. Ich machte mir außerdem einige Gedanken bezüglich der Wahrhaftigkeit der Berichterstattung durch die NNP, die den Kandidaten überhaupt erst in den Verdacht gebracht hatte, er vermische pflichtwidrig Amt und Wahlkampf.
Seitdem ist nichts mehr wie es war.
Es brodelt gewaltig hinter den Kulissen und in sorgfältig verschlossenen Versammlungsräumen. Aus denen aber doch häppchenweise Informationen dringen. Wir sind ja in Limburg, der Stadt, die Diskretion aus dem Duden gestrichen hat.
Als Publizist habe ich natürlich nichts dagegen.
Die kleine Gemeinschaft der freien und abhängig beschäftigen Journalisten ist mehr als sauer. Natürlich auf den Dom-Zoo, der es wagte, den journalistischen Ethos der Nassauischen Neuen Presse und der dort Beschäftigten öffentlich in Frage zu stellen.
Die Operation „Shoot the Messenger“ ( = Kill den Boten) läuft auf Hochtouren und ich werde sehr direkt angefeindet. Mein Angebot an die betreffenden Angreifer, sie mögen sich doch öffentlich äußern, mir nachweisen, wann ich in welcher Weise die Unwahrheit gesagt habe, Stellung beziehen und für Klarheit sorgen, was denn nun wirklich geschehen ist, lehnen die Betreffenden leider ab.
Internes müsse und werde intern bleiben, heißt es kryptisch. Bzw. gar nicht kryptisch für den, der zwischen den Zeilen lesen kann und das Entschlüsseln geheimer Botschaften versteht.
Mir wurde in den privaten Mails, die mich erreichten, vorgeworfen, ich würde wegen „eines Wortes“ einen ungerechtfertigten Aufstand machen.
Dem ist nicht so.
Nach meinem Dafürhalten geht es sogar um viel mehr. Nimmt man alle frei verfügbaren Informationen zusammen, dann haben wir es hier mit einer Presseaffäre von erschreckenden Ausmaßen zu tun.
Es handelt sich nicht um „ein Wort“. Es geht um einen ganzen Absatz in einem Pressebericht einer nominell unparteiischen und unparteilichen Zeitung, der in der entscheidenden Zeit eines Bürgermeisterwahlkampfs erschien.
Ich werde versuchen, die Faktenlage und die Schlussfolgerungen aus den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, einmal darzulegen.
Dabei gibt es bezüglich der Tatsachen an sich genau zwei Optionen. Mehr nicht.
Option 1:
Michael Stanke hat sich in seiner Rede nicht so geäußert, wie es wiedergegeben wurde.
Dann existieren, soweit ich das überblicke, zwei Wege, wie das betreffende Zitat in den Bericht gelangt sein kann.
1.) Der Journalist, der den Artikel verfasst hat, hat Stanke die Worte in den Mund gelegt. Dies wäre eine journalistische Todsünde erster Ordnung. Etwas Übleres, als ein frei erfundenes Zitat zu veröffentlichen, kann sich ein Reporter kaum erlauben. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob er dies getan hat, um dem Betreffenden zu schaden, oder um ihm zu „helfen“. Diese Möglichkeit darf man nicht außer Acht lassen. Es könnte ja auch sein, dass der betreffende Schreiber den Ersten Stadtrat in seiner Kandidatur unterstützen wollte, indem er in dem Bericht dessen Ambitionen als zukünftiger Bürgermeister Raum gab, obwohl diese bei besagtem Ereignis gar nicht Thema waren. Das wäre aber Parteijournalismus der übelsten Sorte und würde etwas wiedergeben, das nicht stattgefunden hat: Es bliebe damit eine Fälschung.
2.) Der Journalist hat wahrheitsgemäß berichtet. Aber jemand, der den Artikel redigierte, sah sich veranlasst, auf genau die Art und Weise, wie oben beschrieben, die Bürgermeisterkandidateneigenschaft des Ersten Stadtrats nachträglich hineinzuarbeiten – und das Ganze dann als neutralen Artikel über ein harmloses Ereignis zu verkaufen. Ein solches Verfahren wäre genauso zu verurteilen und würde mit Nagelstiefeln auf jedem journalistischen Selbstverständnis herumtrampeln.
Hat Stanke den Spruch nicht getätigt, sind beide Möglichkeiten eine Katastrophe für die Nassauische Neue Presse. Dann hätte eigentlich die kleine „Klarstellung“ nicht gereicht, sondern der Kandidat hätte jeden Anspruch auf eine förmliche Gegendarstellung an gleicher Stelle und im gleichen Umfang gehabt.
Option 2:
Michael Stanke hat die zitierte Äußerung beim Ersten Spatenstich getätigt.
In diesem Fall hätte die NNP die Korrektur einer Meldung vorgenommen, die RICHTIG war. Sie hätte versucht, eine Äußerung, die gefallen war, durch eine unwahre Behauptung rückwirkend zu neutralisieren.
Da es für eine Zeitung absolut keinen Grund gibt, eine Tatsachenbehauptung, die sie belegen kann, zu dementieren, wäre dies ein Fall von unverhohlener, direkter Einflussnahme auf die redaktionelle Unabhängigkeit. Die Wahrheit würde in diesem Fall bedenkenlos parteipolitischem Kalkül und direkter Propaganda geopfert. Beteiligte Journalisten, die nichts als ihren Job gemacht hatten, würden hemmungslos diskreditiert und gezwungen, die Wahrheit, die sie berichtet hatten, nachträglich zur Lüge zu verfälschen.
Mit Freiheit der Presse hätte all das nichts zu tun. Es wäre ein Beleg dafür, wie eng verzahnt eine politische Partei und die Chefredaktion der Nassauischen Neuen Presse sind. Dann hätte die CDU einen Durchgriff bis in die Spitze der Redaktion und die Macht selbst zu bestimmen, was und vor allem wie berichtet wird.
Bis zum Ministerium für Wahrheit aus Orwells 1984 wäre es wirklich nicht mehr weit.
Welche der beiden Optionen nun die richtige ist, kann man mit den Informationen, die vorliegen, nicht entscheiden.
Nur eins ist klar: Die NNP und ihre Chefredaktion stehen im Mittelpunkt dieser ganzen Affäre.
Entweder wird dort wenigstens teilweise journalistisch erschreckend dilettantische Arbeit geleistet.
Oder es handelt sich bei der NNP um ein parteipolitisch geführtes und agierendes Propagandablatt.
Die NNP hat übrigens in ihrer "Korrektur" lediglich referiert, worauf der Erste Stadtrat hinweist. Sie hat NICHTS davon kommentiert, nirgends Stellung bezogen und hat im Rahmen der "Korrektur" nichts von dem vorhergegangenen Bericht zurückgenommen. Die NNP hat sich nicht für eine falsche Darstellung entschuldigt. Sie hat keine Gegendarstellung gedruckt.
Lediglich im Online-Archiv wurde der Artikel geändert und mit einem Disclaimer versehen: Anmerkung der Redaktion: in einer früheren Fassung des Artkels stand eine falsch wiedergegebene Aussage von Michael Stanke.

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