Irgendwann verriet sich der NBM (Nochbürgermeister) dann
doch. Seitdem das Schreckenswort „Bürgerbüro“ in Limburg das erste Mal
geflüstert wurde, wehrte sich Martin R. bellend und beißend gegen die Einrichtung
eines solchen. Alle Limburger seien mit ihrer perfekten Verwaltung glücklich,
hieß es immer von seiner Seite. So etwas „braucht man nicht“.
Als nun im zuständigen Ausschuss von einigen Seiten
hartnäckig nachgefragt wurde, warum jetzt auf einmal eine solche Vorlage käme, wenn
der Bürgermeister doch immer dagegen gewesen sei, konnte der NBM dann doch
nicht aus seiner Haut. „Ich bin immer noch dagegen“ knurrte er dem Vernehmen
nach.
Die eine Gewählte, die unlängst im Rahmen der Inthronisierung
des neuen Stadtverordnetenvorstehers die Messlatte für politisches Kabarett auf
Weltrekordhöhe gelegt hatte, sprach daraufhin sehr laut das aus, was diejenigen
dachten, die nicht Parteianhänger oder unlängst assoziiertes, grünes
Stimmenbeschaffungspotential sind: „Also ist das alles nur Wahlkampf.“
Hier Büro, Ihr Bürger? |
Der Gedanke kann einem in der Tat kommen, wenn man den mit
glühend heißer Nadel gestrickten „Bericht an den Ausschuss“ liest, der zum
Thema vom Magistrat vorgelegt wurde. Kaum hatte der Bürgermeisterkandidat einer
Wählerinitiative, Marius Hahn, sich die Einrichtung eines Bürgerbüros auf die
Fahne geschrieben, gab es praktisch über Nacht diesen Stapel Magistratspapier.
Wenn man jedoch genau hinschaut, wird eins vollkommen klar.
Wer auch immer diese Vorlage erarbeitet hat, hat nichts, aber auch GAR NICHTS
verstanden.
Der Auftrag der Stadtverordneten war, die Einrichtung eines
Bürgerbüros zu planen und darüber hinaus die Schaffung eines barrierefreien
Zugangs zum „Neubau“ des Rathauses.
Für die Verfasser des Berichts war dies jedoch der
Startschuss zu einer Orgie im Häuslebauen.
Zu sonst gar nichts.
Worum geht es aber nun wirklich bei einem Bürgerbüro?
Es ist unbestritten, dass ein Gemeinwesen wie eine Stadt
eine Verwaltung benötigt. Doch das Ziel, dafür zu sorgen, dass alle Bürger
ihren Pflichten nachkommen und alle ihre Rechte wahrnehmen können, wurde bei den
meisten Verwaltungen völlig aus den Augen verloren.
Ganz egal, welche Vereinfachungen die technische Entwicklung
der letzten Jahrzehnte theoretisch gebracht hat, Verwaltungsvorgänge sind immer nur komplizierter, undurchschaubarer und zeitaufwändiger geworden. Jeder
Versuch einer Reform resultierte in weiteren Planstellen und neuen,
sinnbefreiten Abläufen.
Der Stand der Dinge ist, dass der Mensch für die Verwaltung
da ist – und nicht umgekehrt. Dabei ist der Bürger als Steuerzahler der
Arbeitgeber der Verwaltungsmitarbeiter. Das Ziel müsste sein, jedem das Leben
zu erleichtern, nicht, es ihm nach Kräften schwer zu machen.
Zerfaserte, dezentrale Behördenstrukturen mit einer
hochentwickelten Kultur der Nichtzuständigkeit, sorgen dafür, dass jeder
Bürger mehrere Urlaubstage im Jahr für „Behördengänge“ benötigt, wertvolle
Lebenszeit auf Fluren sitzend verbringt – um oft genug unverrichteter Dinge
frustriert wieder abzuziehen.
Bürger-Drucker |
Das kann so nicht weiter gehen, dachten sich in den 90er
Jahren einige progressive Politiker und machten sich wieder einmal dran,
städtische Verwaltungen vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Diesmal jedoch mit einem neuen Ansatz.
Sie definierten die Verwaltungen kurzerhand zu
Dienstleistungsbetrieben und die Bürger nicht zu Geiseln und Opfern von
Bürokraten, sondern zu Kunden um, die nach Kräften und bestmöglich zu bedienen
sind.
Das Prinzip funktionierte, nicht zuletzt zur Überraschung
derer, die es initiiert hatten. Die meisten großen Städte haben inzwischen
Bürgerbüros, in denen die Menschen zentral eine Stelle finden, an der ihnen in
Verwaltungsangelegenheiten geholfen
wird.
Nach und nach ziehen kleinere Städte nach, so die jeweiligen
Machthaber sich nicht mit aller Kraft dagegen wehren, dass ihnen ein Instrument
der Machtpolitik genommen wird. Bürger, die sich fürchten, das Rathaus zu
betreten und zusammenzucken, wenn sie ein Brief mit dem Stadtwappen aus dem
Kasten holen, sind leichter unter Kontrolle zu halten und trauen sich nicht,
verbriefte Rechte einzufordern oder behördlichen Entscheidungen zu
widersprechen, seien sie auch noch so rechtswidrig oder absurd oder beides.
Der Weg zu einem funktionierenden Bürgerbüro führt über drei
Schritte.
Zunächst ist ein Konzept erforderlich, bürokratische Abläufe
so rasch und bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten. Die Struktur der
Behörden muss so umgebaut werden, dass bei eindeutigen Zuständigkeiten Vorgänge
von Sachbearbeitern verantwortlich zum Besten des Kunden Bürger umgehend
bearbeitet werden.
Bei einer Verwaltung, deren Struktur von oben herab so
organisiert ist, dass jede Arbeit möglichst zeitintensiv ist und Entscheidungen
die zugunsten der Betroffenen ausfallen müssen, verschleppt und mit Hindernissen ohne Ende blockiert
werden, muss eine grundsätzliche Neuorientierung erfolgen.
Bürger-Rechner |
Erst nachdem die Struktur der reogransierten Behörde und der
Abläufe festgelegt ist, folgt der zweite, vorentscheidende Schritt.
Ein Bürgerbüro braucht das richtige Personal.
In Limburg will sicher ein Großteil der
Verwaltungsangestellten dem Bürger zu Diensten sein. Doch die überkommenen,
autoritären Machtstrukturen lassen das nicht zu und degradieren qualifizierte
Menschen in mittleren Positionen zu frustrierten Stempeldrückern und Ablehnern.
Es gilt nun, diejenigen in dem reichen Personalfundus zu finden,
die für die jeweiligen Aufgaben am besten geeignet und motiviert sind,
selbstverantwortlich im Sinne der Bürger tätig zu werden.
Gerade in den leitenden Positionen ist es unumgänglich, dass
dabei einige heilige und sicher diverse unheilige Kühe geopfert werden. Da
jedoch sowieso eine ganze Reihe von Neubesetzungen bei Amtsleitern anstehen, kann diese große Chance dazu genutzt werden, gleich Menschen zu
werben, die dem neuen Konzept positiv gegenüberstehen und es aktiv mit
gestalten und umsetzen wollen.
Wenn dieser elementare Teil des Umbaus geschafft ist, wenn
Strukturen, Abläufe und insbesondere das Personal für ein funktionierendes
Bürgerbüro organisiert sind, dann und erst DANN kann man sich Gedanken darüber
machen, wo man ein solches am besten zentral einrichtet. Die räumlichen und
baulichen Voraussetzungen kann man naturgegeben erst dann ermitteln, wenn man
wirklich weiß, wie viele Menschen mit welchem Publikumsverkehr was zu erledigen
haben.
In Limburg ist das anders.
Hier hört man „Büro“ und alles ruft im Chor: „BAUEN“.
Hier besorgt man die Schindeln, bevor man weiß, wie der
Grundriss des Hauses aussehen wird, wie hoch das Gebäude wird und welche Form
das Dach bekommt.
Der Magistratsbericht ist ein weiteres Zeugnis dieser
Limburger Manie. Erstaunlich ist nur, dass kein Fußgängerkreisel im Foyer des
Rathauses geplant ist.
Mehr als 600.000,-- € sind schon im Geiste ausgegeben – und es
gibt nicht einmal den Ansatz eines Konzeptes für die Funktion des Unternehmens.
Bürger-Fax |
Man macht eben mal irgendwas. Aber es reicht nicht, an der
Tür das Schild „Stadtverwaltung“ durch „Bürgerbüro“ zu ersetzen und die
müllsackverteilende Dauertelefonistin aus ihrem schusssischeren Glaskasten heraus
zu zerren und an einen seitlich versteckten Tresen zu setzen.
Ein Bürgerbüro ist kein Schreckensbau der 70er, an dem ein
paar Wände eingerissen und andere hochgezogen werden.
Ein Bürgerbüro ist das Zeichen eines Wandels in der
Einstellung der Verwaltung den Menschen gegenüber.
Doch wenn die Stadtoberen den Bürger nach wir vor nur als
Untertan und Verwaltungsobjekt sehen, wird sich nichts ändern.
Ganz gleich, wie man das Kind nennt.
Aus wahltaktischen Gründen nimmt man in Limburg nun also ein
Bürgerbüro in Angriff.
Wohin die Reise gehen soll, weiß keiner der Verantwortlichen.
Trotzdem laufen sie mal los. Irgendwohin. Denn dann hat man wenigstens schon
ein ordentliches Stück Weg hinter sich gebracht.
Ob man dabei in eine völlig falsche Richtung stolpert,
interessiert keinen.
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