Vor einiger Zeit belästigte ich
das gläubige, das ungläubige und auch das Glauben heuchelnde Volk mit ein paar
Gedanken zur Wahrnehmung der Realitäten dieser Welt durch den lokalen
Stellvertreter des Stellvertreters des katholischen Gottes auf Erden.
Nun haben sich unlängst ein paar
Ereignisse zugetragen, die geradezu nach einer Fortführung dieser Überlegungen
schreien. Gut, das ist jetzt etwas untertrieben. Die Ereignisse tragen sich nicht einfach zu. Sie überschlagen
sich nachgerade.
Er möge doch einmal die
armseligste Pfarrei seiner Diözese übernehmen, diese führen, sich mit den
alltäglichen Problemen eines Seelsorgers vor Ort und den Menschen selbst
befassen, um dann sieben Jahre später als geläuterter und weiserer Mann das Amt
des Bischofs von Limburg wieder aufzunehmen. Diesen wahrlich ungewöhnlichen und
klugen Rat erhielt der aktuelle Limburger Bischof unlängst von einem seiner
Untergebenen.
Der Bischof von Limburg fand
darauf erwartungsgemäß keine spontane Antwort.
Der Bischof von Limburg kam erwartungsgemäß
dem Rat nicht nach.
Die Pyramide vom Domberg |
Der Bischof von Limburg lief
vielmehr, ebenfalls erwartungsgemäß, zu einem seiner wenigen Freunde (bzw.
einem Mann, den er dafür hielt) und weinte sich bei dem über diese Form der
Anmaßung aus.
Ob er um Diskretion bat, ist
nicht bekannt.
Auf jeden Fall erfolgte keine.
Vielmehr machte die Begebenheit als Treppenwitz die Runde. Der Bischof von
Limburg sah sich daraufhin genötigt, den betreffenden Stellvertreter, der einen
einflussreichen Posten in der Mainmetropole Frankfurt hält und sich dort hoher
Anerkennung und Beliebtheit erfreut, in erweiterter Runde zu maßregeln und ihn
aufzufordern, sein Amt aufzugeben.
Unter einer der Soutanen im
Kreise hatte sich aber wohl ein kleines Vöglein verborgen und dieses
zwitscherte die Ereignisse und deren Ursprung der interessierten Presse.
Und die schrieb und so wurde wieder
einmal öffentlich verkündet, dass es auch weiterhin Unruhe im Bischöflichen
Ordinariat Limburg gibt. Noch mehr Unruhe, als sowieso schon innerhalb der
Institution herrscht, in der der nun gar nicht mehr so neue Machthaber in der
Manier „Die Diözese bin ich“ die Hallen quert (falls er mal seinen
tausendquadratmetrigen Privatpalast verlässt). Diese seine Bewegungen innerhalb
der klerikalen Organisation führt er jedenfalls von der ersten Stunde an mit
dem Feingefühl eines schweren Bergungsgeräts durch: Was zufällig im Weg steht,
wird plattgewalzt.
Bollwerk gegen die böse Welt |
Damit keine Missverständnisse
aufkommen: Das Bistum Limburg besteht wahrlich nicht nur aus Unschuldslämmern
und Opfertieren mit Betonkragen. Im Prinzip wäre also nichts dagegen
einzuwenden, dass jemand versucht, die verkrusteten Strukturen dieses
selbstgerechten Provinzapparats aufzubrechen, in dem jeder seine Posten und Pfründe
verteidigt und in dem schon mal fette Millionenbeträge jahrzehntelang unbemerkt
unterschlagen werden können. Fände diese Übung zu dem Zweck statt, das
Verwaltungsungetüm dahingehend zu restrukturieren, dass es die längst
vergessene, zentrale Aufgabe einer Kirche wieder wahrnehmen kann, nämlich für
den Menschen da zu sein und ihm in seiner seelischen und irdischen Not
beizustehen, wäre das sicher zu begrüßen.
Doch darum ging und geht es eben gerade
nicht. Nie.
Das Hauptziel aller Aktionen des von
außen und ohne Mitspracherecht aufgedrückten Machthabers ist, dafür zu sorgen,
dass alles und jeder den ganz persönlichen Wünschen, Gelüsten, Begierden und
Ambitionen des Bischofs untergeordnet wird: Alles meins.
Dass sich gegen so etwas
Widerstand regen könnte, vermag nur jemanden zu überraschen, der sich mit Wissen
über das Wesen des Menschen an sich und die Abgründen seiner Existenz aus
Prinzip nicht belastet. Niedlich naiv ist es wohl, wenn jemand trotz
fortgeschrittenen Alters tatsächlich glaubt, seine allumfassende Weisheit und
die Wahrheit seines Wortes Kraft Amtes seien Legitimation genug, alles so zu
richten, wie es ihm gefällt – und alle würden applaudieren und loyal und
eigenmeinungsfrei vor, hinter und neben ihm stehen.
In der Diözese sowieso.
Aber auch in dieser
schrecklichen, gottlosen Welt außerhalb.
Doch in dieser wird der
Unfehlbare seiner eigenen Wahrnehmung nach von Anbeginn unberechtigt und bösartig
kritisiert, diskriminiert und bloßgestellt.
Dabei steht nun auf einmal nach
einer langen Zeit des Schweigens ein Presseorgan an der Spitze der Bewegung, von
dem man das niemals erwartet hätte. In einschlägigen Kreisen wird diese
rechtsintellektuelle Publikation ob seiner erschreckend linientreuen und
erzkonservativen katholischen Berichterstattung bislang gerne auch mal als das „Hessische
Bistumsblättchen“ bezeichnet: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Doch nun ist Wundersames und
Erstaunliches geschehen.
Ausgerechnet dieses
Hauptverlautbarungsorgan hat dem Bischof von Limburg die Gefolgschaft aufgekündigt
und in einem ganzseitigen, bestens recherchierten und formulierten Artikel eine
Generalabrechnung mit der Amtsführung des ambitionierten Landwirtssohns
publiziert, dass diesem in den Marmorhallen auf dem Domberg tagelang die Ohren
geklungen haben müssen.
Macht im Schatten des Doms? |
Die seiner Untertanen in der
Folge sowieso, denn die mussten das wochenlange Gejammer seiner Hochwürdigsten
Eminenz ertragen.
Doch nun reicht es dem General in
seinem Labyrinth am Dom.
Das Imperium schlägt gnadenlos
und mit aller Macht zurück.
Das Bistum Limburg wird die FAZ
in den Ruin treiben. Denn es hat das Abo der Zeitung gekündigt.
Damit nicht genug.
Wie man erfährt, hat das Bistum
Limburg ein streng geheimes „Argumentationspapier“ herausgegeben, das alle
Untertanen des Bischofs zu nutzen haben, um den „Verleumdungen“ durch die
Frankfurter Allgemeine Zeitung entgegenzuwirken.
Was soll man dazu sagen, außer: Zu
dumm, zu aussichtslos, zu spät.
Die Publizistikwissenschaft hat
sich eingehend mit der Meinungsbildung an sich befasst und dabei bemerkenswerte
Ergebnisse erzielt. Eine Erkenntnis ist, dass es vollkommen gleichgültig ist,
was ein Medium berichtet und kommentiert und wertet, das in der allgemeinen
Wahrnehmung als Gegner einer im Rampenlicht stehenden Person bekannt ist. Auf
den lokalen Schöpfervertretervertreter in Limburg bezogen bedeutet das, es
spielt für den Konservativen oder Reaktionär oder allgemein auch nur
Kirchenhörigen keine Rolle, was Der Spiegel schreibt, da dieses Wochenblatt
als, vorsichtig ausgedrückt, katholikenkritisch bekannt ist.
Auch all die Zeitungen und sonstigen
Medien, die den Spiegel-Tendenzen hinterherhecheln, sind für die wahren
Parteigänger des Katholizismus ohne jede Bedeutung.
In der Öffentlichkeitsarbeit hat
jemand, der vom Spiegel zum Feind erklärt wurde, auch niemals eine Chance, dort
eine Meinungsänderung zu bewirken. Er kann immer nur bemüht sein, den Schaden möglichst
klein zu halten und wenig Angriffsfläche zu bieten.
Worum sich eine gute
Propagandaabteilung unbedingt kümmern muss, ist die Pflege der geneigten
publizistischen Landschaft. Soll heißen: Sorge dafür, dass Deine Freunde Deine
Freunde bleiben.
Das hat der Bischof von Limburg
in seiner Hybris nicht getan.
Im Gegenteil.
Es ist ihm gelungen, den
Meinungsführer des Konservatismus an sich gegen sich aufzubringen, die
Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und nun steht er nicht etwa vor einem
Scherbenhaufen. Nein, er wird von der Lawine spitzer Steine begraben, die er
selbst losgetreten hat.
Notausgang. Köln oder Kloster, das ist hier die Frage... |
Genau so, wie es
Spiegel-Abschreiber gibt, existiert eine Unzahl von Journalisten, die sich an dem
orientieren, was die FAZ vorgibt – und mit deren Ganzseiter haben
auch diese alle ihre Hemmungen abgelegt. Man mag vielleicht in der Lokalredaktion am Neumarkt den
Schuss nicht gehört haben (wäre auch das erste Mal…), doch selbst in der
Hauptredaktion der Frankfurter Neuen Presse, der es ja in der Regel immer
gelingt, sich in den schmalen Spalt zu quetschen, den die FAZ noch rechts vom
eigenen Standpunkt frei lässt, ist man vom Apologeten bzw. Bejubelerclub des
TvE umgeschwenkt.
Und man beginnt Fragen zu
stellen. Öffentlich und drängend und, zumindest auf Seiten der FAZ,
wohlinformierte und substanzielle. Nicht nur nach Mitarbeiterführung,
menschlichem Anstand und Weisheit, sondern auch nach Geldern. Nach deren Auftauchen
und Verschwinden, Verwendungen und Verschwendung und, noch viel schlimmer, nach
explizit verbindlichen, kirchenrechtlichen Grundlagen von Haushaltsführungen im
Geheimetat des bischöflichen Finanzschattenreiches.
„Anfragen der FAZ sind ins Leere
laufen zu lassen“, lautet die Anweisung von ganz oben.
Als ob es damit getan sei.
Der Verlust an jeder
Rückendeckung durch die publizistische Öffentlichkeit hat Folgen, die nur
jemanden überraschen können, der von Medien und deren Wirkung noch weniger weiß,
als von den Menschen in seiner Diözese.
Es regt sich Widerstand.
Öffentlicher. In einem ungekannten Schulterschluss zwischen Gläubigen und
Teilen des Klerus wird in Kirchen und Domen protestiert, benennen Betroffene
(oder deuten zumindest erkennbar an, wo die Wurzel des Übels liegt) Ross und
Reiter und setzen sich gegen die fortgesetzte Gängelung, Unterjochung, Prunk und
mittelalterliche Protzsucht zur Wehr.
Jeden Tag ein wenig mehr.
Inzwischen ist es so weit, dass
ein höherrangiger Kirchenmitarbeiter sich traut zu äußern, genau dieser Bischof
hätte die gesamte Diözese „vor die Wand gefahren“.
Wäre TvE ein Politiker, wäre er
unter diesen Umständen schon lange nicht mehr zu halten.
Was wird als nächstes kommen?
Es bleibt in jedem Fall weiter
sehr, sehr spannend.
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