Montag, 26. August 2013

Götterdämmerung am Dom?



Vor einiger Zeit belästigte ich das gläubige, das ungläubige und auch das Glauben heuchelnde Volk mit ein paar Gedanken zur Wahrnehmung der Realitäten dieser Welt durch den lokalen Stellvertreter des Stellvertreters des katholischen Gottes auf Erden.
Nun haben sich unlängst ein paar Ereignisse zugetragen, die geradezu nach einer Fortführung dieser Überlegungen schreien. Gut, das ist jetzt etwas untertrieben. Die Ereignisse tragen sich nicht einfach zu. Sie überschlagen sich nachgerade.
Er möge doch einmal die armseligste Pfarrei seiner Diözese übernehmen, diese führen, sich mit den alltäglichen Problemen eines Seelsorgers vor Ort und den Menschen selbst befassen, um dann sieben Jahre später als geläuterter und weiserer Mann das Amt des Bischofs von Limburg wieder aufzunehmen. Diesen wahrlich ungewöhnlichen und klugen Rat erhielt der aktuelle Limburger Bischof unlängst von einem seiner Untergebenen.
Der Bischof von Limburg fand darauf erwartungsgemäß keine spontane Antwort.
Der Bischof von Limburg kam erwartungsgemäß dem Rat nicht nach.
Die Pyramide vom Domberg
Der Bischof von Limburg lief vielmehr, ebenfalls erwartungsgemäß, zu einem seiner wenigen Freunde (bzw. einem Mann, den er dafür hielt) und weinte sich bei dem über diese Form der Anmaßung aus.
Ob er um Diskretion bat, ist nicht bekannt.
Auf jeden Fall erfolgte keine. Vielmehr machte die Begebenheit als Treppenwitz die Runde. Der Bischof von Limburg sah sich daraufhin genötigt, den betreffenden Stellvertreter, der einen einflussreichen Posten in der Mainmetropole Frankfurt hält und sich dort hoher Anerkennung und Beliebtheit erfreut, in erweiterter Runde zu maßregeln und ihn aufzufordern, sein Amt aufzugeben.
Unter einer der Soutanen im Kreise hatte sich aber wohl ein kleines Vöglein verborgen und dieses zwitscherte die Ereignisse und deren Ursprung der interessierten Presse.
Und die schrieb und so wurde wieder einmal öffentlich verkündet, dass es auch weiterhin Unruhe im Bischöflichen Ordinariat Limburg gibt. Noch mehr Unruhe, als sowieso schon innerhalb der Institution herrscht, in der der nun gar nicht mehr so neue Machthaber in der Manier „Die Diözese bin ich“ die Hallen quert (falls er mal seinen tausendquadratmetrigen Privatpalast verlässt). Diese seine Bewegungen innerhalb der klerikalen Organisation führt er jedenfalls von der ersten Stunde an mit dem Feingefühl eines schweren Bergungsgeräts durch: Was zufällig im Weg steht, wird plattgewalzt.
Bollwerk gegen die böse Welt
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Bistum Limburg besteht wahrlich nicht nur aus Unschuldslämmern und Opfertieren mit Betonkragen. Im Prinzip wäre also nichts dagegen einzuwenden, dass jemand versucht, die verkrusteten Strukturen dieses selbstgerechten Provinzapparats aufzubrechen, in dem jeder seine Posten und Pfründe verteidigt und in dem schon mal fette Millionenbeträge jahrzehntelang unbemerkt unterschlagen werden können. Fände diese Übung zu dem Zweck statt, das Verwaltungsungetüm dahingehend zu restrukturieren, dass es die längst vergessene, zentrale Aufgabe einer Kirche wieder wahrnehmen kann, nämlich für den Menschen da zu sein und ihm in seiner seelischen und irdischen Not beizustehen, wäre das sicher zu begrüßen.
Doch darum ging und geht es eben gerade nicht. Nie.
Das Hauptziel aller Aktionen des von außen und ohne Mitspracherecht aufgedrückten Machthabers ist, dafür zu sorgen, dass alles und jeder den ganz persönlichen Wünschen, Gelüsten, Begierden und Ambitionen des Bischofs untergeordnet wird: Alles meins.
Dass sich gegen so etwas Widerstand regen könnte, vermag nur jemanden zu überraschen, der sich mit Wissen über das Wesen des Menschen an sich und die Abgründen seiner Existenz aus Prinzip nicht belastet. Niedlich naiv ist es wohl, wenn jemand trotz fortgeschrittenen Alters tatsächlich glaubt, seine allumfassende Weisheit und die Wahrheit seines Wortes Kraft Amtes seien Legitimation genug, alles so zu richten, wie es ihm gefällt – und alle würden applaudieren und loyal und eigenmeinungsfrei vor, hinter und neben ihm stehen.
In der Diözese sowieso.
Aber auch in dieser schrecklichen, gottlosen Welt außerhalb.
Doch in dieser wird der Unfehlbare seiner eigenen Wahrnehmung nach von Anbeginn unberechtigt und bösartig kritisiert, diskriminiert und bloßgestellt.
Dabei steht nun auf einmal nach einer langen Zeit des Schweigens ein Presseorgan an der Spitze der Bewegung, von dem man das niemals erwartet hätte. In einschlägigen Kreisen wird diese rechtsintellektuelle Publikation ob seiner erschreckend linientreuen und erzkonservativen katholischen Berichterstattung bislang gerne auch mal als das „Hessische Bistumsblättchen“ bezeichnet: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Doch nun ist Wundersames und Erstaunliches geschehen.
Ausgerechnet dieses Hauptverlautbarungsorgan hat dem Bischof von Limburg die Gefolgschaft aufgekündigt und in einem ganzseitigen, bestens recherchierten und formulierten Artikel eine Generalabrechnung mit der Amtsführung des ambitionierten Landwirtssohns publiziert, dass diesem in den Marmorhallen auf dem Domberg tagelang die Ohren geklungen haben müssen.
Macht im Schatten des Doms?
Die seiner Untertanen in der Folge sowieso, denn die mussten das wochenlange Gejammer seiner Hochwürdigsten Eminenz ertragen.
Doch nun reicht es dem General in seinem Labyrinth am Dom.
Das Imperium schlägt gnadenlos und mit aller Macht zurück.
Das Bistum Limburg wird die FAZ in den Ruin treiben. Denn es hat das Abo der Zeitung gekündigt.
Damit nicht genug.
Wie man erfährt, hat das Bistum Limburg ein streng geheimes „Argumentationspapier“ herausgegeben, das alle Untertanen des Bischofs zu nutzen haben, um den „Verleumdungen“ durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung entgegenzuwirken.
Was soll man dazu sagen, außer: Zu dumm, zu aussichtslos, zu spät.
Die Publizistikwissenschaft hat sich eingehend mit der Meinungsbildung an sich befasst und dabei bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Eine Erkenntnis ist, dass es vollkommen gleichgültig ist, was ein Medium berichtet und kommentiert und wertet, das in der allgemeinen Wahrnehmung als Gegner einer im Rampenlicht stehenden Person bekannt ist. Auf den lokalen Schöpfervertretervertreter in Limburg bezogen bedeutet das, es spielt für den Konservativen oder Reaktionär oder allgemein auch nur Kirchenhörigen keine Rolle, was Der Spiegel schreibt, da dieses Wochenblatt als, vorsichtig ausgedrückt, katholikenkritisch bekannt ist.
Auch all die Zeitungen und sonstigen Medien, die den Spiegel-Tendenzen hinterherhecheln, sind für die wahren Parteigänger des Katholizismus ohne jede Bedeutung.
In der Öffentlichkeitsarbeit hat jemand, der vom Spiegel zum Feind erklärt wurde, auch niemals eine Chance, dort eine Meinungsänderung zu bewirken. Er kann immer nur bemüht sein, den Schaden möglichst klein zu halten und wenig Angriffsfläche zu bieten.
Worum sich eine gute Propagandaabteilung unbedingt kümmern muss, ist die Pflege der geneigten publizistischen Landschaft. Soll heißen: Sorge dafür, dass Deine Freunde Deine Freunde bleiben.
Das hat der Bischof von Limburg in seiner Hybris nicht getan.
Im Gegenteil.
Es ist ihm gelungen, den Meinungsführer des Konservatismus an sich gegen sich aufzubringen, die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und nun steht er nicht etwa vor einem Scherbenhaufen. Nein, er wird von der Lawine spitzer Steine begraben, die er selbst losgetreten hat.
Notausgang. Köln oder Kloster, das ist hier die Frage...
Genau so, wie es Spiegel-Abschreiber gibt, existiert eine Unzahl von Journalisten, die sich an dem orientieren, was die FAZ vorgibt – und mit deren Ganzseiter haben auch diese alle ihre Hemmungen abgelegt. Man mag vielleicht in der Lokalredaktion am Neumarkt den Schuss nicht gehört haben (wäre auch das erste Mal…), doch selbst in der Hauptredaktion der Frankfurter Neuen Presse, der es ja in der Regel immer gelingt, sich in den schmalen Spalt zu quetschen, den die FAZ noch rechts vom eigenen Standpunkt frei lässt, ist man vom Apologeten bzw. Bejubelerclub des TvE umgeschwenkt.
Und man beginnt Fragen zu stellen. Öffentlich und drängend und, zumindest auf Seiten der FAZ, wohlinformierte und substanzielle. Nicht nur nach Mitarbeiterführung, menschlichem Anstand und Weisheit, sondern auch nach Geldern. Nach deren Auftauchen und Verschwinden, Verwendungen und Verschwendung und, noch viel schlimmer, nach explizit verbindlichen, kirchenrechtlichen Grundlagen von Haushaltsführungen im Geheimetat des bischöflichen Finanzschattenreiches.
„Anfragen der FAZ sind ins Leere laufen zu lassen“, lautet die Anweisung von ganz oben.
Als ob es damit getan sei.
Der Verlust an jeder Rückendeckung durch die publizistische Öffentlichkeit hat Folgen, die nur jemanden überraschen können, der von Medien und deren Wirkung noch weniger weiß, als von den Menschen in seiner Diözese.
Es regt sich Widerstand. Öffentlicher. In einem ungekannten Schulterschluss zwischen Gläubigen und Teilen des Klerus wird in Kirchen und Domen protestiert, benennen Betroffene (oder deuten zumindest erkennbar an, wo die Wurzel des Übels liegt) Ross und Reiter und setzen sich gegen die fortgesetzte Gängelung, Unterjochung, Prunk und mittelalterliche Protzsucht zur Wehr.
Jeden Tag ein wenig mehr.
Inzwischen ist es so weit, dass ein höherrangiger Kirchenmitarbeiter sich traut zu äußern, genau dieser Bischof hätte die gesamte Diözese „vor die Wand gefahren“.
Wäre TvE ein Politiker, wäre er unter diesen Umständen schon lange nicht mehr zu halten.
Was wird als nächstes kommen?
Es bleibt in jedem Fall weiter sehr, sehr spannend.




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