Donnerstag, 30. Mai 2013

Hier Drachen oder: Die Medienlandschaft aus Limburger Perspektive



Nein, ich wollte es wirklich nicht. Ganz bestimmt nicht. Ehrlich. Ich gebe diesbezüglich jetzt keine Versicherung an Eides Statt ab, aber diese Seite sollte (und wird ganz sicher auch) sich mit Belangen der Limburger Altstadt, deren Probleme, Sorgen, Kämpfe, Lasten und auch Freuden befassen. Das Ziel war nicht, eine öffentliche Plattform zu schaffen, die ständig den aktuellen Bischof von Limburg im Fokus hat. Sich selbst zu demontieren schafft er mit seinen Begierden, seinen öffentlichen Auftritten sowie seinem ganz eigenes Verständnis von Kommunikation problemlos ganz alleine. Ohne jede Hilfe.
Ich wollte es wirklich nicht. Wie gesagt. Und jetzt das. Zwei Kommentare hintereinander, die sich beide mit demselben, leidigen Thema befassen. Müssen. Ich verspreche, ich werde alles tun, dass es nicht wieder vorkommt. Aber es ist leider unvermeidlich. Und wird, so hat man mir zugetragen, auf dieser Seite bereits vom einen oder anderen mit Spannung erwartet. Also bin ich in der Pflicht und muss gehorchen. Sozusagen.
Er hat es wieder einmal geschafft, auf den Titel- bzw. Startseiten aller maßgeblichen Organe der öffentlichen Meinung off- und online zu erscheinen, mit der Meldung, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen einer Falschaussage an Eides Statt eingeleitet hat. Grundlage der Entscheidung ist, dass nach Überprüfung der Sachlage ein begründeter Anfangsverdacht besteht.
In der Nähe des Tatorts? (c) Thomas Max Müller/pixelio.de
Was ist eigentlich geschehen? Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse in eigenen Worten. Im Sommer des vergangenen Jahres war der Bischof von Limburg mit diversen Journalisten auf dem Domberg unterwegs. Er war gerade erst von einer Reise zurückgekehrt, bei der er auf der Suche nach Beweisen zum Erlangen einer Privatheiligen für das Bistum in Indien war, hatte diese aber mit einem Alibibesuch bei den Ärmsten der Armen getarnt. Die Reise. Nicht die Heiligwerdensollende. Ein anwesender Spiegel-Reporter fragte ihn, ob er Erster Klasse geflogen sei. Business-Klasse, war die eindeutige Antwort. Zu dem Zeitpunkt lief eine Kamera und das Gespräch wurde dokumentiert. Schnelle Recherchen des betreffenden Reporters ergaben, dass der Bischof und ein Begleiter sehr wohl Erster Klasse geflogen waren.
Das war der Punkt, an dem das ganze Desaster begann. Eine Katastrophe von geradezu biblischen Ausmaßen. Die Ursache der Verwüstungen sind aber nicht Heuchelei, Luxusgier, Protzsucht und Weltfremdheit des kirchlichen Würdenträgers. Darüber kann sich inzwischen wohl jeder sein ganz eigenes Urteil bilden und die Verhaltensweisen zwischen Predigen und Handeln sprechen eine eindeutige Sprache.
Was sich in der Folge ereignete und noch ereignet, ist hingegen ein so mustergültiges PR-Desaster, dass es an allen Instituten für Publizistik und Kommunikation als abschreckendes Beispiel für ein Seminar herangezogen werden könnte. Wahrscheinlich sogar in absehbarer Zeit wird.
Droht Gerechtigkeit? (c) lupo/pixelio.de

Die mediale Landkarte Deutschlands ist gepflastert mit PR-, Marketing-, und Kommunikationsberatungsagenturen. Anders als Laien annehmen, ist deren primäre Aufgabe jedoch nicht, Menschen, Unternehmen und Institutionen bestmöglich zu verkaufen. Das Kerngeschäft dieser Berater liegt darin zu verhindern, dass sich ihre Klienten selbst SCHADEN. Das Zauberwort ist dabei Krisenkommunikation. Wenn alles läuft, braucht man kaum eine Beratung. Die ist aber in einem Fall dringendst nötig, den der gemeine Amerikaner sehr drastisch aber wunderbar treffend wie folgt beschreibt: „When the shit hits the fan“. Teutonisch: Wenn die Fäkalien in den Ventilator fliegen. DANN kann man so ungefähr alles falsch machen, insbesondere wenn man den Reflexen Raum gibt und genau das absondert, das auch juvenile Delinquenten äußern, selbst wenn sie mit der Tatwaffe neben der Leiche angetroffen werden: „Schwarwsnich. Weißnich.“
Was wäre im aktuellen Bischofsfall die beste Vorgehensweise gewesen?
Es wird im Bistum bekannt, dass der Spiegel auf dem Kriegspfad ist. Wie es seriöse, journalistische Gepflogenheiten vorschreiben, wird beim BO noch einmal konkret nach dem Flug gefragt. Es ist vollkommen klar, dass der SPIEGEL etwas schreiben WIRD, in der bekannt süffisanten Art. Das ist NICHT zu verhindern! Das Einzige, was jetzt auf dem Programm stehen kann, ist Schadensbegrenzung. Also wäre JETZT die Gelegenheit gewesen mitzuteilen, dass Bischof nebst Begleiter Erster Klasse geflogen sind, dass dies warum auch immer erforderlich war, phantasievolle Erklärung einfügen, dass der Bischof die Frage des Reporters auf dem Domberg so verstanden hatte, dass dieser wissen wollte, welche Art Flug vom Bistum bezahlt wurde und dass das Upgrade auf die Erste Klasse durch privaten Bonusmeilen geregelt wurde.
Mehr konnte man nicht tun und das Ganze wäre von weiten Teilen der Öffentlichkeit mit einem Achselzucken abgetan worden: Naja, DER halt wieder. Oder: na und?
Doch das, was stattdessen folgte, war als Aktion an Naivität und Weltfremdheit absolut nicht zu überbieten. Man stellte den Ventilator nicht ab, sondern auf Stufe drei. Das BO geruhte, eine Anwaltskanzlei loszuschicken, mit einer UNTERLASSUNGSERKLÄRUNG nebst Kostenrechnung. Man sollte sich verpflichten, nicht zu behaupten, der Bischof sei Erster Klasse geflogen. Was dieser eideststattlich anliegend versicherte. Wohlgemerkt, dieses Schriftstück ging nicht an Die Bäckerblume oder das Amtliche Mitteilungsblättchen Hinterdingolfingsdings. Sondern an DEN SPIEGEL. An das größte und wichtigste deutsche Nachrichtenmagazin. Das Organ, das ganze Horden von cleveren Medienanwälten beschäftigt, die Artikel auf juristische Fallstricke überprüfen und dafür sorgen, dass das politische Wochenblatt nur alle Schaltjahre mal zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet wird und praktisch nie zum Widerruf!
Es kam, was kommen musste. Der Spiegel berichtete. Der Spiegel berichtete über die versuchte Einflussnahme. Ganz Deutschland sprang auf die Meldung auf. Und das Bistum musste nicht viel später wortreich und inhaltsarm und weitere Fragen aufwerfend zugeben, dass der Flug sehr wohl auf dem Oberdeck stattgefunden hatte. Dem Exklusiven.
Mit dem höhnischen Gelächter und den üblichen Kommentaren wäre die Sache nun eigentlich erledigt gewesen. Doch da war dieses eine Schriftstück. In dem an Eides Statt behauptet wurde, man sei nicht erstklassig unterwegs gewesen. Und eine derartige Behauptung sei gegenüber dem Reporter nie aufgestellt worden. Aber die Kamera war eben an.
Hier Drachen. Irgendwo. (c) Maren Beßler/pixelio.de
Eidesstattliche Versicherungen gibt es in vielen Bereichen. Der eine oder andere dürfte Formen davon kennen („Schhabnix“). Wer eine falsche EV abgibt, macht sich strafbar. Es ist kein Antragsdelikt. Also hätte die zuständige Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln müssen und damit, nichts von dem Delikt gewusst zu haben, kann man sich kaum herausreden. Immerhin stand es in allen Zeitungen. Es passierte aber nichts, bis sich drei Menschen aus nur ihnen bekannten Motiven genötigt sahen, förmlich Strafanzeige zu erstatten. Die Sache wurde an die StA Hamburg abgegeben, die erst einmal prüfte, ob ein Anfangsverdacht besteht. Was überraschend viel Zeit erforderte. Nunmehr wird bestätigt, dass das der Fall ist. 
Aber was tut unser aller BO in diesem Fall? Es DEMENTIERT! Das muss man sich einmal vorstellen. Hamburg bestätigt über die Leitung ihrer Pressestelle besagtes Ermittlungsverfahren und die Spezialisten für Öffentlichkeitsarbeit in Diensten des Bischofs haben nichts Besseres zu tun, als zu sagen, dass man bei der Staatsanwaltschaft lügt. Sagenhaft. Eltern kleinerer Kinder kennen das Phänomen. Wenn ich nur die Augen fest zumache, dann sieht mich das Monster nicht... 
Die Medienlandschaft der Republik endet in der Vorstellung des Bistums ganz offenbar in einer Ecke des Neumarkts. Dort hat man in den meisten Fällen die richtigen Menschen an den richtigen Stellen, die schon dafür sorgen, dass das Richtige gedruckt wird. Und das Wichtige nicht. Was den Rest der Welt jedoch betrifft, sind Pressestelle des BO und ihr Oberster Hirte mit defektem Kompass und ohne Sextant unterwegs, jedem Sturm ausgesetzt und haben keine Vorstellung, wo sie sich befinden. Im Mittelalter schrieb man auf Seekarten von Gebieten, von denen man keine Ahnung hatte oder in die man sich nicht traute: Hier Drachen.
Das Bistum ist von lindwurmverseuchten Gewässern nur so umgeben. Wir sind gespannt, wann die klerikale Limburger Galeere auf das nächste Riff läuft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen