Noch schleichen ein paar
übriggebliebene Kamera- und Mikrofonträger durch die Gassen der Altstadt, auf
der Suche nach irgendjemandem, der noch nicht zweimal interviewt und dreimal
fotografiert wurde, aber so ganz langsam kehrt wieder eine Art von Ruhe ein.
Nur an der Panzersperre des
Bischöflichen Palais sammeln sich nach wie vor die Schau-Lustgewinner, die auch
an jedem schweren Verkehrsunfall anhalten und gaffen. Hier haben sie das Schild
an der Autobahn zum Anlass genommen, „sich das jetzt doch mal selbst
anzuschauen“. Mit dem Resultat, dass die meisten hilflos achselzuckend vor dem
stehen, was von dem Bauwerk überhaupt zu sehen ist. Es sei denn, sie sind
Architekten. Dann sind sie entweder entsetzt – oder entzückt, weil alles sowas
von modern ist und bekommen ob der Schlichtheit und Integration durch
Linienführung und Materialwahl in das Bild der Bebauung einen Orgasmus.
Die letzten Wochen waren für die
Altstadtbewohner am Ende nur noch schwer zu ertragen. Hatte schon der Bau der
Stein gewordenen Hybris des vorgeblich so weltabgewandten Würdenträgers tiefe
Furchen in die Straßen, die Häuser und die Nervenstränge der Anwohner gepflügt,
wurde dies auf eine bis dahin nicht vorstellbare Art und Weise innerhalb eines
extrem kurzen Zeitraums von der Vollendung und dem Bezug des neudefinierten
Bauabschnittskonglomerats noch einmal übertroffen.
Es war kaum noch möglich, sich
auf der Straße zu zeigen, ohne von Journalisten fast angefallen zu werden. Die
Gassen der Altstadt wurden kurzerhand zu Pressedauerparkplätzen erklärt und
Satellitenschüssel tragende Irrläuferkastenwagen fuhren sich in Ecken fest.
Und überall sah man sie, die
Menschen mit den warmen Outdoor-Jacken, den Cordhosen, dem derben Schuhwerk und
dem Einmalkaffeebecher in der Hand.
Sie machten ihren Job.
Alle in Deutschland existierenden Journalisten gleichzeitig.
In Limburg.
Katastrophentourismus |
Dass dabei auch Grenzen massiv überschritten wurden und sich Berichterstatter zum Beispiel über Mauern schwangen (selbst beobachtet), um
Bilder privater Häuser und Grundstücke zu schießen und in Fenster zu schauen,
die mit der katholischen Kirche und dem Bistum absolut nichts zu tun haben, liegt leider im Wesen der Sache. Reporter sind Menschen wie du und ich (wenngleich
in der Regel noch etwas neugieriger) und deshalb gibt es auch unter ihnen
ernsthafte, um differenzierte Berichterstattung bemühte Journalisten – genauso
wie hemmungslose, klebrige Schmierfinken, für die spezielle Wörterbücher
gedruckt werden. Solche, in denen Begriffe wie „Privatgrundstück“, „Anstand“
und „Straßenverkehrsordnung“ nicht vorkommen.
Spannend war auf jeden Fall, dass
ein einzelner Mann sogar durch seine Abwesenheit ein mediales Interesse an
Limburg generierten konnte, wie die Stadt es in ihrer mehr als tausendjährigen
Geschichte noch nie erlebt hat.
Um Bilanz zu ziehen ist es noch
zu früh und eine offizielle Entscheidung über die Zunkuft des Bistums steht ja
noch aus, auch wenn der offiziell noch amtierende Mitraträger und Weihrauchschwinger
vom Spielfeld geschickt wurde.
Auf den Rängen gibt es deshalb Pfiffe und enttäuschte Zwischenrufe. Man hätte den Großmeister der finanziellen klerikalen Blutgrätsche zu gerne gleich an der Torlatte baumeln sehen. Aber daraus wurde erstmal nichts.
Es war aber doch nicht anders zu
erwarten. Der noch aktuelle Bischof der Lahnstadt mag ein arg schwarzes Schaf
sein, aber trotzdem ist er nach wie vor ein Kerikaler. Der Klerus hält für gewöhnlich clanartig und objektiven Erkenntnissen gegenüber blind bis ignorant zusammen und lässt auf einen der seinen nichts kommen. Praktisch nie. Warum sollte also ausgerechnet in diesem Fall der große Vater
einen Sohn schlachten, nur weil die Meute danach heult und nach seinem Blut
lechzt.
Besonders in Limburg und besonders in den Reihen derer, die an alldem, was geschehen ist, mehr als nur ein wenig beigetragen haben.
Oh Herr, du musst uns nicht unsere Schuld vergeben. Denn wir tragen keine.
Amen.
Dafür inszeniert man dann auch mal schnell eine inhaltsfreie Presse"konferenz" in der man verkündet, dass man nichts verkündet, was die Welt nicht schon tagelang wusste. Und wie schwierig nun alles wird. In der Diözese.
Aber das interessiert kein Schwein.
Es ist eines der großen
Missverständnisse des katholischen Limburgs (gleich nach dem Bauernsohn)
azunehmen, irgendjemand in Rom würde Befindlichkeiten und kleinere
Verwaltungsscharmützel innerhalb der Diözese Limburg zur Kenntnis nehmen - oder am Ende gar Gefühle der
Laien oder auch Gläubigen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat mit so etwas Banalem
erstrecht keinen Vertrag.
Sollte TvE am Ende seinen von ihm so begehrten Posten
tatsächlich verlieren, dann nur deshalb, weil er der Familie, sprich dem
Klerus, geschadet hat.
Er hat es vollbracht, das Ansehen
der katholischen Kirche massivst zu schädigen und allen bereits vorhandenen
Vorurteilen noch einige belegbare mehr hinzuzufügen. Durch ihn ist etwas
zur öffentlichen Debatte geworden, das heiliger als jede Reliquie in
seinem Regal ist/wahr: Das unglaubliche bis dahin jedoch geheime Vermögen der
katholischen Kirche.
Und beim Geld hört der Spaß auf.
Dass er und seine Spießgesellen
die Öffentlichkeit und die ihm kriechend folgende Politikerschar mit gebleckten
Zähnen lächelnd fortgesetzt belogen haben – Schwamm drüber. Diese Umstände waren in keiner der Erklärungen Roms den Heiligen Stuhl auch nur ein Wort wert. Dass er ein wenig
geprasst hat – who cares. Aber die Todsünde war, dass er bis zu beiden Ellbogen
in die Schatzkiste des Bistums gegriffen hat, als deren Bewahrer und nicht
Eigner er Rom gilt – UND damit öffentlich gemacht hat, dass diese sogar nach seiner
freundlichen Selbstbedienung noch lange nicht leer ist.
Damit wurde auf einmal
nachdrücklich und über jedes verfügbare Medium bis hin zur
Tante-Emma-Laden-Kundenzeitschrift ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt,
dass genau die Institution, die jederzeit sofort mit der ganz großen Schüssel
am Topf der staatlichen Suppenküchen steht, in Wirklichkeit der größte
Grundbesitzer und der größte, institutionelle Eigner von Bar- und Anlagevermögen
ist.
Plötzlich stellen auch erklärte
Katholiken Fragen, die Kirchenverächter schon lange wiederholen: Warum ist
entgegen aller Staatsfreiheit der Kirche ebendieser Staat für ebendiese
Kirche(n) der Hauptdienstleister (Kirchensteuer) sowie Hauptsponsor, der praktisch
alle caritativen Organisationen, Krankenhäuser, Altersheime, Kindergärten und
Schulen durch staatlichen Zuschüssen finanzieren muss, während diejenigen, die sich mit diesem sozialen Engagement rühmen, höchstens das Schild mit dem Kreuz und dem Heiligennamen an die Tür hängen.
Kann und wird nach TvE nun alles
so weitergehen wie bisher? Man fürchtet in Rom und bei der DBK: nein. Bei aller Debattenmüdigkeit wird das Thema sicher
nicht einfach versanden.
Der Klerus wird das schwarze
Schaf verfluchen, das all das ausgelöst hat und möglicherweise weit weg nach
Indien schicken. Vielleicht findet der Freund der Liturgie dort ja noch seine Heilige, die ihm nur
nichts mehr nutzen wird.
Doch die säkulare Öffentlichkeit
ist dem Einsamen vom Domberg zu ganz erheblichem Dank verpflichtet.
Denn ohne ihn wäre es niemals zu
dieser Diskussion gekommen.
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