Montag, 28. Oktober 2013

Der Lohn der Tat: Dankbarkeit für den Bischof von Limburg



Noch schleichen ein paar übriggebliebene Kamera- und Mikrofonträger durch die Gassen der Altstadt, auf der Suche nach irgendjemandem, der noch nicht zweimal interviewt und dreimal fotografiert wurde, aber so ganz langsam kehrt wieder eine Art von Ruhe ein.
Nur an der Panzersperre des Bischöflichen Palais sammeln sich nach wie vor die Schau-Lustgewinner, die auch an jedem schweren Verkehrsunfall anhalten und gaffen. Hier haben sie das Schild an der Autobahn zum Anlass genommen, „sich das jetzt doch mal selbst anzuschauen“. Mit dem Resultat, dass die meisten hilflos achselzuckend vor dem stehen, was von dem Bauwerk überhaupt zu sehen ist. Es sei denn, sie sind Architekten. Dann sind sie entweder entsetzt – oder entzückt, weil alles sowas von modern ist und bekommen ob der Schlichtheit und Integration durch Linienführung und Materialwahl in das Bild der Bebauung einen Orgasmus.
Die letzten Wochen waren für die Altstadtbewohner am Ende nur noch schwer zu ertragen. Hatte schon der Bau der Stein gewordenen Hybris des vorgeblich so weltabgewandten Würdenträgers tiefe Furchen in die Straßen, die Häuser und die Nervenstränge der Anwohner gepflügt, wurde dies auf eine bis dahin nicht vorstellbare Art und Weise innerhalb eines extrem kurzen Zeitraums von der Vollendung und dem Bezug des neudefinierten Bauabschnittskonglomerats noch einmal übertroffen.
Es war kaum noch möglich, sich auf der Straße zu zeigen, ohne von Journalisten fast angefallen zu werden. Die Gassen der Altstadt wurden kurzerhand zu Pressedauerparkplätzen erklärt und Satellitenschüssel tragende Irrläuferkastenwagen fuhren sich in Ecken fest.
Und überall sah man sie, die Menschen mit den warmen Outdoor-Jacken, den Cordhosen, dem derben Schuhwerk und dem Einmalkaffeebecher in der Hand.
Sie machten ihren Job. 
Alle in Deutschland existierenden Journalisten gleichzeitig.
In Limburg.
Katastrophentourismus
Dass dabei auch Grenzen massiv überschritten wurden und sich Berichterstatter zum Beispiel über Mauern schwangen (selbst beobachtet), um Bilder privater Häuser und Grundstücke zu schießen und in Fenster zu schauen, die mit der katholischen Kirche und dem Bistum absolut nichts zu tun haben, liegt leider im Wesen der Sache. Reporter sind Menschen wie du und ich (wenngleich in der Regel noch etwas neugieriger) und deshalb gibt es auch unter ihnen ernsthafte, um differenzierte Berichterstattung bemühte Journalisten – genauso wie hemmungslose, klebrige Schmierfinken, für die spezielle Wörterbücher gedruckt werden. Solche, in denen Begriffe wie „Privatgrundstück“, „Anstand“ und „Straßenverkehrsordnung“ nicht vorkommen.
Spannend war auf jeden Fall, dass ein einzelner Mann sogar durch seine Abwesenheit ein mediales Interesse an Limburg generierten konnte, wie die Stadt es in ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte noch nie erlebt hat.
Um Bilanz zu ziehen ist es noch zu früh und eine offizielle Entscheidung über die Zunkuft des Bistums steht ja noch aus, auch wenn der offiziell noch amtierende Mitraträger und Weihrauchschwinger vom Spielfeld geschickt wurde.
Auf den Rängen gibt es deshalb Pfiffe und enttäuschte Zwischenrufe. Man hätte den Großmeister der finanziellen klerikalen Blutgrätsche zu gerne gleich an der Torlatte baumeln sehen. Aber daraus wurde erstmal nichts.
Es war aber doch nicht anders zu erwarten. Der noch aktuelle Bischof der Lahnstadt mag ein arg schwarzes Schaf sein, aber trotzdem ist er nach wie vor ein Kerikaler. Der Klerus hält für gewöhnlich clanartig und objektiven Erkenntnissen gegenüber blind bis ignorant zusammen und lässt auf einen der seinen nichts kommen. Praktisch nie. Warum sollte also ausgerechnet in diesem Fall der große Vater einen Sohn schlachten, nur weil die Meute danach heult und nach seinem Blut lechzt.
Besonders in Limburg und besonders in den Reihen derer, die an alldem, was geschehen ist, mehr als nur ein wenig beigetragen haben.
Oh Herr,  du musst uns nicht unsere Schuld vergeben. Denn wir tragen keine.
Amen.
Dafür inszeniert man dann auch mal schnell eine inhaltsfreie Presse"konferenz" in der man verkündet, dass man nichts verkündet, was die Welt nicht schon tagelang wusste. Und wie schwierig nun alles wird. In der Diözese.
Aber das interessiert kein Schwein.
Es ist eines der großen Missverständnisse des katholischen Limburgs (gleich nach dem Bauernsohn) azunehmen, irgendjemand in Rom würde Befindlichkeiten und kleinere Verwaltungsscharmützel innerhalb der Diözese Limburg zur Kenntnis nehmen - oder am Ende gar Gefühle der Laien oder auch Gläubigen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat mit so etwas Banalem erstrecht keinen Vertrag. 
Sollte TvE am Ende seinen von ihm so begehrten Posten tatsächlich verlieren, dann nur deshalb, weil er der Familie, sprich dem Klerus, geschadet hat.
Er hat es vollbracht, das Ansehen der katholischen Kirche massivst zu schädigen und allen bereits vorhandenen Vorurteilen noch einige belegbare mehr hinzuzufügen. Durch ihn ist etwas zur öffentlichen Debatte geworden, das heiliger als jede Reliquie in seinem Regal ist/wahr: Das unglaubliche bis dahin jedoch geheime Vermögen der katholischen Kirche.
Und beim Geld hört der Spaß auf.
Dass er und seine Spießgesellen die Öffentlichkeit und die ihm kriechend folgende Politikerschar mit gebleckten Zähnen lächelnd fortgesetzt belogen haben – Schwamm drüber. Diese Umstände waren in keiner der Erklärungen Roms den Heiligen Stuhl auch nur ein Wort wert. Dass er ein wenig geprasst hat – who cares. Aber die Todsünde war, dass er bis zu beiden Ellbogen in die Schatzkiste des Bistums gegriffen hat, als deren Bewahrer und nicht Eigner er Rom gilt – UND damit öffentlich gemacht hat, dass diese sogar nach seiner freundlichen Selbstbedienung noch lange nicht leer ist.
Damit wurde auf einmal nachdrücklich und über jedes verfügbare Medium bis hin zur Tante-Emma-Laden-Kundenzeitschrift ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, dass genau die Institution, die jederzeit sofort mit der ganz großen Schüssel am Topf der staatlichen Suppenküchen steht, in Wirklichkeit der größte Grundbesitzer und der größte, institutionelle Eigner von Bar- und Anlagevermögen ist.
Plötzlich stellen auch erklärte Katholiken Fragen, die Kirchenverächter schon lange wiederholen: Warum ist entgegen aller Staatsfreiheit der Kirche ebendieser Staat für ebendiese Kirche(n) der Hauptdienstleister (Kirchensteuer) sowie Hauptsponsor, der praktisch alle caritativen Organisationen, Krankenhäuser, Altersheime, Kindergärten und Schulen durch staatlichen Zuschüssen finanzieren muss, während diejenigen, die sich mit diesem sozialen Engagement rühmen, höchstens das Schild mit dem Kreuz und dem Heiligennamen an die Tür hängen.
Kann und wird nach TvE nun alles so weitergehen wie bisher? Man fürchtet in Rom und bei der DBK: nein. Bei aller Debattenmüdigkeit wird das Thema sicher nicht einfach versanden.
Der Klerus wird das schwarze Schaf verfluchen, das all das ausgelöst hat und möglicherweise weit weg nach Indien schicken. Vielleicht findet der Freund der Liturgie dort ja noch seine Heilige, die ihm nur nichts mehr nutzen wird.
Doch die säkulare Öffentlichkeit ist dem Einsamen vom Domberg zu ganz erheblichem Dank verpflichtet.
Denn ohne ihn wäre es niemals zu dieser Diskussion gekommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen