Montag, 13. April 2015

Kriminalitätsreport Limburger Altstadt (3)




In den ersten beiden Teilen dieser Reportage stand die Sicherheit der Geschäftsleute im Zentrum. Doch es gibt in der Limburger Altstadt noch andere Menschen, auch wenn dies von der Lokalpolitik nur zu gerne ignoriert wird. Die Anwohner sind von den Gefahren, die von Kriminellen ausgehen, nicht weniger betroffen als die Inhaber und Angestellten der Läden. Wie bereits ausgeführt, ist Limburg in den letzten Jahren vermehrt ins Blickfeld von mobilen Clans geraten, deren Mitglieder als Fachkräfte für spontanen Eigentumstransfer zertifiziert sind. Bei ihren Deutschland-Rundreisen machen diese familiär organisierten Verbrecherbanden in der Regel in Köln Halt, wo sie die Innenstadt heimsuchen. Bei der Weiterfahrt Richtung Süden liegt Limburg praktischerweise am Weg...
Ziel ist dabei immer nur eins: Beute. Bevorzugt werden Bargeld, EC-Karten sowie alle Arten von Schmuck und kleine, leicht zu veräußernde Wertsachen gesucht. Sobald sich eine Gelegenheit bietet, auch gerne in Häusern und Wohnungen.
Beste Deckung im Trubel
Die engen Straßen der Altstadt und die Architektur kommen in Limburg den Tätern entgegen. Verwinkelte Zugänge machen es leicht, sich unbemerkt  Zutritt zu verschaffen. Dazu kommt, dass an vielen Häusern die historisch korrekten Türen heutigen Sicherheitsstandards kaum genügen. Oft haben sie außen Klinken und werden tagsüber nicht abgeschlossen. Manchmal stehen sie auch einfach auf. Man ist ja im Haus oder in der Nähe, die Nachbarn sind da und schauen, was kann da schon passieren? Alles. Ist einer der Gangster erstmal im Haus, geht es ganz schnell.
Alleine in der unmittelbaren Umgebung meines Wohnorts am Rossmarkt waren in den letzten Jahren wenigstens sieben Diebstähle aus Häusern zu beklagen. Dabei genügten in vielen Fällen ein oder zwei Minuten, in denen das Erdgeschoss unbewacht war. Zwei der Opfer überraschten die Täter(innen), doch nur einmal gelang es, jemanden dingfest zu machen. Im anderen Fall verfolgte der Betreffende die beiden Männer, die er in seinem Haus überrascht hatte und rief per Handy die Polizei. Doch von dort musste man ihm mit Bedauern mitteilen, dass man nicht eine einzige Streife übrig hatte…
Neben diesen vollendeten Taten ist mir eine große Zahl von Fällen bekannt, in denen potentielle Einsteiger rechtzeitig vertrieben wurden. Viermal beobachtete ich selbst auf meiner Treppe verdächtige Gestalten, die bei meinem für sie überraschenden Auftauchen nach „Freund Ramon“ suchten. Der hier wohnen soll. Oder auch nicht?
Allerhöchste Aufmerksamkeit ist in jedem Fall gefragt, wenn sich am Vormittag junge Männer durch die Altstadt bewegen, die (leere!) Sporttaschen am Tragegurt über der Schulter haben und mit raschen Blicken die Häuser und Eingänge scannen. Die Gefahr besteht, dass es sich dabei um eine ganz besondere Art von Touristen handelt.
Die betreffenden Diebes-Clans sind nicht auf eine bestimmte Art des Vorgehens spezialisiert, sondern entscheiden spontan. Mitglieder ein und derselben „Handelsorganisation“ können eben noch als Einbrecher auftreten, um im nächsten Augenblick schon in einem Geschäft als Kassenmarder tätig zu werden, während Brüderchen und Schwesterchen als Trickdiebe in den Gassen zuschlagen.
Nicht nur Anwohner und Geschäftsleute sind dabei das Ziel. Auch die von der Stadt am meisten hofierte Gruppe, die Touristen, wird in Sachen Sicherheit sich selbst überlassen. Unbewachte Taschen von Kunden, leicht zugängliche Geldbörsen in der Jacke oder im Rollator sind mit einem schnellen Griff verschwunden und vor allem rasch an andere Bandenmitglieder weitergegeben. Gleichfalls beliebt sind vorgebliche Spendensammlungen, bei denen sofort ein Ablenkungsmanöver gestartet wird, sobald jemand unvorsichtigerweise die Börse zückt. Wenn auffällt, dass die Scheine dann fehlen, ist es zu spät.
Ramon wohnt hier nicht
Die Beutezüge dieser mobilen Gruppe haben Saison. Sie sind in unsere Region bevorzugt in den Sommermonaten unterwegs, wenn die überfüllten Gassen gute Deckung geben und eine reiche Auswahl an Opfern präsentieren. Die andere hohe Zeit der Eigentumsdynamik liegt um Weihnachten, wenn nicht weniger Menschen in der Dunkelheit unterwegs sind und die Taschen voller Geld haben.
Gewalt steht bei den Mitgliedern dieser Banden nicht an erster Stelle der Jobbeschreibung. Man präferiert beim Auffliegen leichtathletische Talente und gibt Fersengeld. Das bedeutet aber nicht, dass im Fall eines Falles nicht doch zugschlagen würde, um die Flucht zu ermöglichen. Oder, so man der diebischen Weiblichkeit habhaft wird, gebissen, gekratzt und gespuckt.
Gefahr für Leib und Leben geht von reisenden Diebesbanden trotzdem eher wenig aus. Das bedeutet aber nicht, dass beides in Limburg besonders sicher wäre.
Die beunruhigendste Zahl im aktuellen Kriminalreport betrifft die Raubstraftaten. Diese weisen eine Steigerungsrate von über 60% auf. Die absoluten Fallzahlen sind dabei für den Bereich der Altstadt (noch) nicht besonders hoch, aber die Tendenz ist unverkennbar. Und jede einzelne Tat führt zu einer wachsenden Angst und der Frage: Fühle ich mich Nachts in den Straßen meiner Stadt denn noch sicher?
Verfolgt nur, was sie erfährt. Manchmal.
Bei vielen Altstadtbewohnern ist das nicht der Fall. Doch das liegt nicht in erster Linie an den bekannt gewordenen Fällen von Straßenraub. Bei meinen Gesprächen mit Betroffenen kristallisierte sich recht schnell ein ganz anderer Brennpunkt heraus, der erhebliche Sorgen bereitet. In der Nähe der alten Lahnbrücke gibt es ein Haus in städtischem Besitz, das als Unterkunft für Bürger genutzt wird, von denen sich leider ein nicht unerheblicher Teil immer wieder im Umgang und in der allgemeinen Weltsicht als weniger sozialwillig und -fähig darstellt. Die sehr öffentliche Lebensführung einiger dort Wohnender wird von einer nicht geringen Anzahl der Nachbarn als tendenziell störend empfunden. Die Debattierfreudigkeit einiger Protagonisten wird darüber hinaus sehr gerne und schnell körperlich kanalisiert und die Angst Unbeteiligter, dazwischen zu geraten, ist groß. Verstärkt lässt man auch seiner allgemeinen Verachtung für alles, was Eigentum anderer ist, freien Lauf und demoliert, was gerade greifbar ist. Unlängst wurde so eins der bekanntesten Altstadthäuser, das Ziel täglicher Touristenführungen ist, massiv beschädigt. Zum wiederholten Mal.
Die wenigsten der Taten werden angezeigt, da „es ja sowieso nichts bringt“ bzw. Täter und Opfer (im Fall von Schlägereien) meistens aus derselben Gruppe kommen. Daher weiß die Kriminalstatistik davon kaum etwas zu berichten. Hier dürfte damit direkt am Rand der Altstadt der Hort der höchsten Dunkelziffer in Sachen Straftaten zu finden sein.
Eine Betreuung bzw. Kontrolle der besagten Wohneinrichtung scheint entweder nicht stattzufinden oder nur unzureichend zu sein. Wohin das am Ende führen kann, zeigt ein Blick in eine ganz andere Rubrik der Straftaten. Der Tatort eines der wenigen Tötungsdelikte in der Domstadt im vergangenen Jahr war genau am besagten Ort…

Im vierten und letzten Teil des Kriminalreports Limburger Altstadt werde ich mich an einer zusammenfassenden Würdigung der Situation, Perspektiven, Aussichten und Lösungen versuchen und mit den Stellungnahmen der Verantwortlichen befassen.

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