In den ersten beiden Teilen
dieser Reportage stand die Sicherheit der Geschäftsleute im Zentrum. Doch es
gibt in der Limburger Altstadt noch andere Menschen, auch wenn dies von der
Lokalpolitik nur zu gerne ignoriert wird. Die Anwohner sind von den
Gefahren, die von Kriminellen ausgehen, nicht weniger betroffen als die Inhaber
und Angestellten der Läden. Wie bereits ausgeführt, ist Limburg in den letzten
Jahren vermehrt ins Blickfeld von mobilen Clans geraten, deren Mitglieder als
Fachkräfte für spontanen Eigentumstransfer zertifiziert sind. Bei ihren
Deutschland-Rundreisen machen diese familiär organisierten Verbrecherbanden in
der Regel in Köln Halt, wo sie die Innenstadt heimsuchen. Bei der Weiterfahrt
Richtung Süden liegt Limburg praktischerweise am Weg...
Ziel ist dabei immer nur eins:
Beute. Bevorzugt werden Bargeld, EC-Karten sowie alle Arten von Schmuck und
kleine, leicht zu veräußernde Wertsachen gesucht. Sobald sich eine Gelegenheit
bietet, auch gerne in Häusern und Wohnungen.
Beste Deckung im Trubel |
Die engen Straßen der Altstadt
und die Architektur kommen in Limburg den Tätern entgegen. Verwinkelte
Zugänge machen es leicht, sich unbemerkt Zutritt zu verschaffen. Dazu kommt, dass an
vielen Häusern die historisch korrekten Türen heutigen Sicherheitsstandards
kaum genügen. Oft haben sie außen Klinken und werden tagsüber nicht
abgeschlossen. Manchmal stehen sie auch einfach auf. Man ist ja im Haus oder in
der Nähe, die Nachbarn sind da und schauen, was kann da schon passieren? Alles.
Ist einer der Gangster erstmal im Haus, geht es ganz schnell.
Alleine in der unmittelbaren
Umgebung meines Wohnorts am Rossmarkt waren in den letzten Jahren wenigstens sieben
Diebstähle aus Häusern zu beklagen. Dabei genügten in vielen Fällen ein oder
zwei Minuten, in denen das Erdgeschoss unbewacht war. Zwei der Opfer
überraschten die Täter(innen), doch nur einmal gelang es, jemanden dingfest zu
machen. Im anderen Fall verfolgte der Betreffende die beiden Männer, die er in
seinem Haus überrascht hatte und rief per Handy die Polizei. Doch von dort
musste man ihm mit Bedauern mitteilen, dass man nicht eine einzige Streife
übrig hatte…
Neben diesen vollendeten Taten ist
mir eine große Zahl von Fällen bekannt, in denen potentielle Einsteiger
rechtzeitig vertrieben wurden. Viermal beobachtete ich selbst auf meiner Treppe
verdächtige Gestalten, die bei meinem für sie überraschenden Auftauchen nach „Freund
Ramon“ suchten. Der hier wohnen soll. Oder auch nicht?
Allerhöchste Aufmerksamkeit ist in
jedem Fall gefragt, wenn sich am Vormittag junge Männer durch die Altstadt bewegen,
die (leere!) Sporttaschen am Tragegurt über der Schulter haben und mit raschen
Blicken die Häuser und Eingänge scannen. Die Gefahr besteht, dass es sich dabei
um eine ganz besondere Art von Touristen handelt.
Die betreffenden Diebes-Clans
sind nicht auf eine bestimmte Art des Vorgehens spezialisiert, sondern
entscheiden spontan. Mitglieder ein und derselben „Handelsorganisation“ können eben
noch als Einbrecher auftreten, um im nächsten Augenblick schon in einem
Geschäft als Kassenmarder tätig zu werden, während Brüderchen und Schwesterchen
als Trickdiebe in den Gassen zuschlagen.
Nicht nur Anwohner und
Geschäftsleute sind dabei das Ziel. Auch die von der Stadt am meisten hofierte
Gruppe, die Touristen, wird in Sachen Sicherheit sich selbst überlassen. Unbewachte
Taschen von Kunden, leicht zugängliche Geldbörsen in der Jacke oder im Rollator
sind mit einem schnellen Griff verschwunden und vor allem rasch an andere
Bandenmitglieder weitergegeben. Gleichfalls beliebt sind vorgebliche
Spendensammlungen, bei denen sofort ein Ablenkungsmanöver gestartet wird,
sobald jemand unvorsichtigerweise die Börse zückt. Wenn auffällt, dass die
Scheine dann fehlen, ist es zu spät.
Ramon wohnt hier nicht |
Die Beutezüge dieser mobilen
Gruppe haben Saison. Sie sind in unsere Region bevorzugt in den Sommermonaten
unterwegs, wenn die überfüllten Gassen gute Deckung geben und eine reiche
Auswahl an Opfern präsentieren. Die andere hohe Zeit der Eigentumsdynamik liegt
um Weihnachten, wenn nicht weniger Menschen in der Dunkelheit unterwegs sind
und die Taschen voller Geld haben.
Gewalt steht bei den Mitgliedern
dieser Banden nicht an erster Stelle der Jobbeschreibung. Man präferiert beim
Auffliegen leichtathletische Talente und gibt Fersengeld. Das bedeutet aber
nicht, dass im Fall eines Falles nicht doch zugschlagen würde, um die Flucht zu
ermöglichen. Oder, so man der diebischen Weiblichkeit habhaft wird, gebissen,
gekratzt und gespuckt.
Gefahr für Leib und Leben geht
von reisenden Diebesbanden trotzdem eher wenig aus. Das bedeutet aber nicht,
dass beides in Limburg besonders sicher wäre.
Die beunruhigendste Zahl im
aktuellen Kriminalreport betrifft die Raubstraftaten. Diese weisen eine Steigerungsrate
von über 60% auf. Die absoluten Fallzahlen sind dabei für den Bereich der
Altstadt (noch) nicht besonders hoch, aber die Tendenz ist unverkennbar. Und
jede einzelne Tat führt zu einer wachsenden Angst und der Frage: Fühle
ich mich Nachts in den Straßen meiner Stadt denn noch sicher?
Verfolgt nur, was sie erfährt. Manchmal. |
Bei vielen Altstadtbewohnern ist
das nicht der Fall. Doch das liegt nicht in erster Linie an den bekannt
gewordenen Fällen von Straßenraub. Bei meinen Gesprächen mit Betroffenen
kristallisierte sich recht schnell ein ganz anderer Brennpunkt heraus, der erhebliche Sorgen
bereitet. In der Nähe der alten Lahnbrücke gibt es ein Haus in städtischem
Besitz, das als Unterkunft für Bürger genutzt wird, von denen sich leider ein
nicht unerheblicher Teil immer wieder im Umgang und in der allgemeinen Weltsicht
als weniger sozialwillig und -fähig darstellt. Die sehr öffentliche Lebensführung
einiger dort Wohnender wird von einer nicht geringen Anzahl der Nachbarn als
tendenziell störend empfunden. Die Debattierfreudigkeit einiger Protagonisten wird
darüber hinaus sehr gerne und schnell körperlich kanalisiert und die Angst
Unbeteiligter, dazwischen zu geraten, ist groß. Verstärkt lässt man auch seiner
allgemeinen Verachtung für alles, was Eigentum anderer ist, freien Lauf und
demoliert, was gerade greifbar ist. Unlängst wurde so eins der bekanntesten
Altstadthäuser, das Ziel täglicher Touristenführungen ist, massiv beschädigt.
Zum wiederholten Mal.
Die wenigsten der Taten werden
angezeigt, da „es ja sowieso nichts bringt“ bzw. Täter und Opfer (im Fall von
Schlägereien) meistens aus derselben Gruppe kommen. Daher weiß die
Kriminalstatistik davon kaum etwas zu berichten. Hier dürfte damit direkt am
Rand der Altstadt der Hort der höchsten Dunkelziffer in Sachen Straftaten zu
finden sein.
Eine Betreuung bzw. Kontrolle der
besagten Wohneinrichtung scheint entweder nicht stattzufinden oder nur
unzureichend zu sein. Wohin das am Ende führen kann, zeigt ein Blick in eine
ganz andere Rubrik der Straftaten. Der Tatort eines der wenigen Tötungsdelikte in
der Domstadt im vergangenen Jahr war genau am besagten Ort…
Im vierten und letzten Teil des Kriminalreports Limburger Altstadt werde
ich mich an einer zusammenfassenden Würdigung der Situation, Perspektiven,
Aussichten und Lösungen versuchen und mit den Stellungnahmen der
Verantwortlichen befassen.
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