Sicherheit ist immer ein heikles
Thema, denn es gilt den Spagat zwischen dem bewachten Bürger und dem überwachten
zu schaffen. Soll heißen, jede Forderung nach mehr Polizei-Personal und Präsenz
birgt die Gefahr, dass sich die Menschen eingeschränkt und überwacht fühlen.
Totale Sicherheit ist nicht
möglich, jedenfalls nicht ohne gleichzeitigen Totalverlust aller Bürgerrechte.
Wenn alle an allem immer gehindert werden, kann niemand mehr etwas tun. Nichts Böses.
Aber auch sonst nichts. Dies gilt es immer zu beachten.
Mehr Polizei muss nicht
gleichbedeutend mit Polizeistaat sein. Aber die Gefahr lauert natürlich in den
Ecken, insbesondere in Anbetracht der jüngeren Geschichte.
Dies nur als Vorbemerkung zur
abschließenden Würdigung der Situation in Limburg.
Trügerisches Idyll |
Das Ziel dieser Artikelserie ist
es nicht, Ängste zu schüren oder gar eine Panik hervorzurufen. Aber es ist
höchste Zeit, einige Probleme und Situationen einmal offen an- und
auszusprechen.
Die Limburger Altstadt ist in Sachen
Kriminalität sehr viel schlechter gestellt, als allgemein bekannt. Die
Statistiken geben nur einen kleinen und unzureichenden Ausschnitt der
tatsächlich begangenen Taten wieder. Bezüglich des Sicherheitsgefühls der
Geschäftsleute, Bewohner und Besucher sind sie sogar ohne jede Aussagekraft.
Es ist zwar nicht so, dass man in
den Gassen der Altstadt zu jeder Tages- und Nachtzeit um Leib, Leben, Hab und
Gut fürchten muss. Aber eine erhöhte Wachsamkeit ist schon angesagt.
Will man die Gesamtsituation
beurteilen, darf man den Fokus jedoch nicht nur auf die lokale Lage richten.
Für ein sicheres Leben und Arbeiten an einem Ort sind nämlich drei verschiedene
Parteien (nicht im Sinne von politischen…) verantwortlich.
Das Land Hessen
Die Sicherheit der Bürger ist
Landessache. Hinter dieser gesetzlichen Regelung stand die Vorstellung, dass
man an jedem Ort des Landes Hessen gleich gefährdet oder eben ungefährdet sein
sollte. Keiner durfte die Chance haben, Sicherheit zu kaufen. Wären
Strafverfolgung und Prävention eine kommunale Aufgabe, könnten sich die reichen
Städte viele Polizisten und damit Sicherheit leisten und in den armen würde die
Gesetzlosigkeit herrschen.
Gleiches Recht und gleiche
Sicherheit für alle sind eine schöne Vorstellung.
Doch die Entwicklung der letzten
30 Jahren hat dazu geführt, dass Bürger nicht überall gleich gut beschützt
werden, sondern dass sie überall gleich gefährdet sind.
Landesaufgabe |
Das Desaster begann damit, dass alle
Bereiche der öffentlichen Haushalte der Beurteilung durch weltfremde
Betriebswirtschaftler unterworfen wurden, die nicht mehr als Gewinn- und
Verlustrechnung beherrschten. „Wirtschaftliches Handeln“ war das
Totschlagargument. Man stellte fest, dass die Polizei das Land Hessen mehr Geld
kostete, als sie in Form von Bußgeldern und indirekt Strafen nach Verurteilung
von Straftätern einbrachte. Der einzige Schluss, den man daraus zog, war:
Sparen. Streichen, knausern, reduzieren.
Die absurde Vorstellung,
Sicherheit sei in irgendeiner Form in einem Jahreshaushalt monetär zu bewerten,
dominierte nun alles. Mangels Fantasie und harter Daten (die natürlich nicht
erhoben wurden), wurde jeder mittel- bis langfristiger Nutzen einer modernen
(inneren) Sicherheitspolitik kurzerhand ignoriert.
Das Resultat ist heute, dass es
immer weniger Stellen bei der Polizei gibt. Das Verhältnis von Polizisten pro
Tausend Bürger ist seit ewigen Zeiten krass rückläufig. Immer mehr Reviere
wurden und werden geschlossen oder in nur teilbesetzte Posten umgewandelt. Die
Ausrüstung der Polizei wird zusammengestrichen, der Fuhrpark sowieso. Viele
Beamten müssen mit vorsintflutlicher EDV arbeiten, die mehrere Generationen hinterher
hinkt.
Für den kleinen Controller im
Rechnungshof (sie und ihre Planstellen vermehren sich wie die Fliegen…) scheint nur ein nicht
mehr vorhandener Polizist ein guter Polizist zu sein. Haushaltstechnisch.
Beschlüsse werden heute nicht mehr
nach Einsatzerfordernissen getroffen, sondern aus undurchschaubaren und in
jedem Fall sachfremden Erwägungen. Der letzte Schildbürgerstreich der ganz
besonderen Art ist die Idee der Landesregierung, die örtlichen Notrufzentralen
zu schließen! Diese sollen in ein paar wenige „Hilfe-Callcenter“ zusammenfasst
werden, in denen der Notrufer dann irgend einen Disponenten ans Ohr bekommt,
der von dem Ortsteil, in dem er dringend Hilfe braucht, noch nie im Leben etwas
gehört hat. Geschweige denn von der Straße oder gar der regional üblichen
Bezeichnung.
Rasche Beute |
Die Sicherheitspolitik Hessens
ist ein erschreckender Amateurzirkus, in dem Fachwissen nicht gefragt ist. Die
Polizei und ihre Vertreter sind in einer Zwickmühle. Sie dürfen nämlich
beamtenrechtlich nicht das sagen, was sie wirklich wissen und meinen. Sie sind
zu einer Vasallentreue verpflichtet und dürfen maximal auf dem Dienstweg das
Fingerchen mahnend heben. Um dann ignoriert zu werden.
Die Kriminalstatistik wird so
geführt, dass sie eine möglichst hohe Aufklärungsquote ausweist. Immer wieder
werden Aktionen durchgeführt, die nur dem Zweck dienen, die Bilanz zu schönen.
Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit nicht zugelassenem Fahrzeug und Drogen und
Alkohol am Steuer sind alles Delikte, bei denen die Aufklärungsrate bei 100%
liegt. Oder hat schon mal jemand von einer „ungeklärten Trunkenheitsfahrt“
gehört? Also gibt es immer wieder Kontrollstellenorgien, bei denen die
absoluten Fangzahlen im Verhältnis zu den kontrollierten Wagen lächerlich sind.
Aber für die „Aufklärungsquote“ sind sie statistisches Gold.
Die Landespolitik ist in erster
Linie bemüht, das eigene Versagen und den beharrlichen Rückzug aus der inneren
Sicherheit zu kaschieren.
Dem Bürger wird immer wieder erzählt,
er sei sicher. Oder es werden ihm sogar Polizisten-Dummies als wandelnde
Notrufsäulen präsentiert („Freiwilliger Polizeidienst“), um „das subjektive
Sicherheitsgefühl zu stärken“.
Doch warum ist dieses dann immer
weniger vorhanden?
Die lokale Politik
Städte sind rechtlich gesehen für
die Sicherheit ihrer Bürger sachlich nicht zuständig. Das Ordnungsamt und seine
Helfer sind keine Strafverfolger und Verbrechensverhinderer, ganz gleich wie
sich der eine oder die andere HIPO auch aufführt.
Bürgermeister, Stadträte oder
Amtsleiter sind der Polizei gegenüber nicht weisungsbefugt.
Trotzdem tragen auch sie eine
Verantwortung, nämlich eine politische. Die lokalen Behörden und Politiker sind
durchaus in der Pflicht, sobald die Sicherheit ihrer Bürger in Gefahr ist. Sie
müssen an den zuständigen Stellen aktiv werden und für politischen und
öffentlichen Druck sorgen, sobald klar wird, dass das Land seinen gesetzlichen
Pflichten nicht mehr nachkommt.
Ohne beständige politische Arbeit
auf kommunaler Ebene wird sich nichts ändern. Dazu ist aber Voraussetzung, dass
sich Bürgermeister und Verwaltung überhaupt für die Belange der Bürger
interessieren und ihre Sorgen und Probleme ernst nehmen.
Es wird eng... |
In Limburg sind in dieser
Hinsicht leider erhebliche Zweifel angebracht. Wie es scheint, existiert im
Bewusstsein der Stadtregenten kein Sicherheitsproblem.
Ich habe bei der Stadt angefragt,
ob es ein Sicherheitskonzept für die Limburger Altstadt gibt.
Die Antwort war – gar keine.
Es existiert also für eine Stadt,
die sich damit brüstet, jedes Jahr eine gute Million Besucher aller Art zu
beherbergen, kein Maßnahmen- und Erkenntniskatalog, der in Zusammenarbeit
zwischen den Behörden, Polizei und Betroffenen entstanden wäre und die Belange
aller berücksichtigt.
Ohne ein Problembewusstsein
werden Lokalpolitiker aber nichts unternehmen. Bemerken sie selbst nichts, muss
man sie mit der Nase darauf stoßen – und nicht nur bei kleinen
Wahlveranstaltungen mal ein paar Sätze sagen, die dann eifrig mitgeschrieben
und vergessen werden.
Die Betroffenen selbst sind aufgerufen,
dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen sich darüber bewusst werden, wie es
den Menschen in der Stadt geht und welche Sorgen und Ängste sie umtreiben.
Die im Stich Gelassenen
Den betroffenen Bürgern steht ein
ganzer Katalog an Reaktionen zur Verfügung, um auf die eigene Situation
aufmerksam zu mache. Nur ist dieser den wenigsten bekannt oder es traut sich
kaum jemand, tätig zu werden.
Dabei ist es nicht besonders
schwer. Man muss sich nur ein wenig Zeit nehmen, es anzugehen.
Es ist ein weit verbreiteter
Irrtum, wenn man glaubt, nach Abgabe seiner Stimme hätte man als Bürger keinen
Anspruch an seinen Abgeordneten mehr. Aber das Gegenteil ist der Fall. Immerhin
vertritt er im Landesparlament genau den Wahlbezirk, in dem er siegte, und die
dortigen Bürger dürfen erwarten, dass er ihre Interessen wahrnimmt.
Sobald jemand also ein Problem
hat, dessen Ursache auf Landesebene zu suchen ist, wäre „sein“ Abgeordneter der
erste Ansprechpartner.
Irrelevant und hilflos |
Auf die lokale Situation gemünzt
heißt das, jedes Mal, wenn jemand in Limburg Opfer einer Straftat wird und der
Ansicht ist, diese sei zu verhindern gewesen, hätte es mehr Polizeipräsenz
gegeben oder wäre diese schneller vor Ort gewesen, sollte er dies seinem
Abgeordneten mitteilen. Dabei sollte er ihn auffordern, alles zu tun, dass in
Zukunft so etwas verhindert wird und er möge doch bitte mitteilen, was er
unternommen hat.
Nachrichtlich kann man eine
solche Botschaft an den Bürgermeister schicken, mit der dringenden Bitte,
gleichfalls politisch aktiv zu werden, um das Land dazu zu bringen, die Sicherheit
seiner Bürger zu gewährleisten.
Es schadet auch nicht, dem
Innenminister, der für die Polizei zuständig ist, mitzuteilen, wenn man mit der
Lage unzufrieden ist, in Gefahr war oder zu Schaden gekommen ist. Je konkreter
die jeweilige Situation geschildert wird, umso besser. In einem der vorangegangenen
Artikel habe ich Bezug auf den Umstand genommen, dass Rettungsdienste innerhalb
von 10 Minuten vor Ort sein MÜSSEN, die Polizei aber keiner Regel unterworfen
ist. Jedes Mal, wenn es nach der Wahl
der 110 länger als 10 Minuten dauert, bis polizeiliche Hilfe eintrifft, sollte
man sich also beim Innenministerium darüber beschweren.
Sehr wichtig ist es außerdem, wie
bereits erwähnt, dass jede, aber auch wirklich JEDE Straftat angezeigt wird.
Die Statistiken dienen in erster Linie als Alibi, nichts zu tun. Doch die
erscheinen jährlich und diesen Umstand kann und muss man nutzen. Je höher die
Zahl der real unaufgeklärten Taten ist, die in den Jahresberichten erscheinen,
desto besser.
Nur wenn der Druck auf die
Politik beharrlich erhöht wird und von vielen Seiten kommt, besteht die Chance,
dass sich etwas ändert.
Mittel- bis langfristig.
Für die akute Lage ändert dies leider
erst einmal nichts.
Gegenwärtig sind die Bürger,
Besucher und Geschäftsleute auf sich selbst gestellt.
Ihnen kann man nur einige,
generelle Ratschläge geben.
Aufmerksam sein und auf einander
aufpassen ist dabei etwas, das von Geschäftsinhaber(innen) erfreulicherweise
schon gut praktiziert wird. Der nächste Schritt wäre, die Hemmungen abzulegen
und im Zweifel die Polizeilieber einmal zu viel zu rufen als zu wenig. Alles,
was verdächtig vorkommt, sollte weiter gegeben werden. Dabei sollte man
natürlich nur im akturen Notfall die 110 wählen. Für alle anderen Mitteilungen
reicht die 91400, die allgemeine Rufnummer der Polizei in Limburg.
Zusammenschließen, Augen offen halten! |
Die wenigen Streifen, die
durchgeführt werden, sollte man bei Gelegenheit für Gespräche nutzen, um zu
erfahren, was passiert und selbst einen Überblick über die aktuelle Lage zu
geben.
Der falsche Ansprechpartner für
die Sicherheit sind allerdings die Mitarbeiter des Ordnungsamts und die
Hilfspolizei. Diese werden in der Limburger Altstadt ja leider in erster Linie
dazu eingesetzt, um Wirte und Geschäftsleute zu gängeln und zu schikanieren, nicht zur Durchsetzung ihrer Rechte und Belange…
Die oberste Regel im Umgang mit
Kriminalität heißt für die Betroffenen: Begib Dich nicht in Gefahr. Keine Sache
und kein Geld ist es wert, dass man dafür körperliche Schäden oder mehr
riskieren sollte. Dinge sind ersetzbar. Leben und Gesundheit nicht.
Gäbe es eine ernstzunehmende
Organisation für die Geschäftsleute der Altstadt, wäre über diese einiges zu
erreichen. Ein Zusammenschluss der Gefährdeten könnte Vorträge,
Informationsveranstaltungen und Seminare organisieren, bei denen ECHTE
Fachleute mit Betroffenen das richtige Verhalten erörtern und üben könnten. Es
gibt Beratungen durch die Polizei auch für Geschäftsleute und sehr kompetente,
private Veranstalter, die sich auf die Sicherheit von Unternehmern
spezialisiert haben. Diese könnten Präventions- und Ernstfallschulungen
anbieten.
Darüber hianus könnten sich die
Organisierten mit anderen Netzwerken in Städten austauschen, die eine ähnliche
Sicherheitslage haben und über dortige Strategien informieren und selbst die eigenen
Erfahrungen einbringen.
In vielen Städten gibt es „Pro
Polizei“-Vereine, die sich mit genau diesen Themen befassen. Eventuell wäre die
Gründung einer solchen Organisation auch für Limburg eine Idee.
Sicherheit in Limburg war lange
Zeit kein Thema. Doch interessanterweise scheint es gelungen zu sein, die
Öffentlichkeit in der letzten Zeit für diesen Komplex mehr zu interessieren. So
befasste sich unlängst ein größerer Artikel in einer lokalen Zeitung mit Einbruch
und den professionellen Banden, die oft genug dahinter stecken. Vielleicht
hatte das ein klein wenig mit dieser Artikelserie zu tun…
Was bleibt als Fazit?
Die Sicherheit der Limburger
Altstadt ist ein Problem, das bislang beharrlich ignoriert wurde.
Jeder ist aufgerufen, seinen
Beitrag zu leisten, dass die Lage besser wird. Die Betroffenen. Aber in erster
Linie die zuständigen Politiker.
Ich werde weiter beobachten und
berichten…
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