Montag, 20. April 2015

Aktive Kernbereiche Hessen - und was Limburg daraus macht



Innenstädte veröden, Quartiere verkommen und verdrecken, Läden stehen leer, Grünanlagen werden zu Mülldeponien: Das ist das deprimierende Bild, das die Stadtteile vieler Kommunen bieten. Nicht zuletzt der grassierende Mall-Wahn der letzten 20 Jahre, bei dem jede Stadt unbedingt ein Mega-Einkaufszentrum mit 150 Läden errichten musste, hat dazu geführt, dass früher intakte Plätze und Straßenzüge praktisch abgestorben sind.
Mitten drin - und doch am Rand.
Das Land Hessen hat ein geniales Programm aufgelegt, mit dessen Hilfe betroffene Städte dem entgegensteuern können. Doch es geht nicht darum, Gelder im Gießkannenprinzip zu verteilen, um irgendwelche von oben herab verordneten Baumaßnahmen zu subventionieren.
Die Programmgestalter haben ihre Hausaufgaben nämlich hervorragend erledigt und haben sich bei ihrer Konzeption auch mit den Höhen und Tiefen des menschlichen Wesens befasst. Zentrale Erkenntnis war, dass nur dann etwas eine Aussicht auf Dauer hat, wenn möglichst viele Menschen sich damit identifizieren, sich dafür einsetzen und sich selbst darum kümmern, dass es weiter besteht und nicht ge- oder zerstört wird.
In Bezug auf Stadtplanung bedeutet das: Je mehr Bürger an der Gestaltung ihrer unmittelbaren Umgebung beteiligt sind, desto mehr werden sie diese als IHRE betrachten und für sie sorgen.
Daher ist die Bezuschussung von Projekten aus dem Programm Aktive Kernbereiche Hessen an ganz klare Vorgaben geknüpft. Nicht die Politik bestimmt, was wie und wo getan wird, sondern die Menschen. Das Stichwort ist dabei:

Lokale Partnerschaften
Ein zentrales Kennzeichen des Programmes Aktive Kernbereiche in Hessen ist die Programmvorbereitung und -umsetzung in öffentlich-privater Partnerschaft. Durch eine intensive Einbindung und Vernetzung der örtlichen Akteure sollen die unterschiedlichen Interessen koordiniert, Eigeninitiative der Privaten geweckt und unterstützt sowie die lokalen Ressourcen gebündelt werden. Im Sinne eines urban-governance-Ansatzes sollen alle Akteure der Stadt- und Ortsteilzentren, zum Beispiel Unternehmer, Grundstücks- und Immobilieneigentümer, Bewohner, Vertreter von Kultur- und Sozialeinrichtungen, gemeinsam mit der Verwaltung Konzepte und Projekte zur Stärkung der Zentren entwickeln und realisieren. In den Programmgebieten sind dazu operative „Lokale Partnerschaften“ zu gründen, die sich aus Vertretern von Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammensetzen. Sie haben die Aufgabe, die Programmumsetzung zu steuern.

Die Botschaft ist klar und unmissverständlich: Im Mittelpunkt stehen die gemeinsamen Interessen von Politik, Wirtschaft und Bürgern. Diese sollen sie mit dem Landesgeld gemeinsam und verantwortungsvoll umsetzen.

Als die Kunde vom Programm Aktive Kernbereiche Hessen Limburg erreichte, verstand man von alldem nur eins: GELD.
Sonst NICHTS.
In Limburg kommt nach den Vorstellungen der politischen Führung und weiter Teile der Verwaltung der Bürger als Partner absolut nicht in Betracht. Vielmehr ist er der Feind, den es in erster Linie zu bekämpfen und von allem auszuschließen gilt.
Autos oder Nichtautos
Bei den bisherigen Maßnahmen in der Innenstadt, die zum Großteil aus dem Programm Aktive Kernbereiche finanziert wurden, hatten die Bewohner der betroffenen Bereiche keinerlei Mitspracherecht.
Im Jahr 2009 gab es einen „Workshop“ und 2011 ein „Werkstattgespräch“. Danach nur noch reine „Informationsveranstaltungen“ auf denen jeweils kleine Teile dessen offenbart wurden, was von der Politik beschlossen wurde.
Von der Lokalen Partnerschaft waren die Bürger völlig ausgeschlossen!
Auf eine geradezu dreiste Weise verfälscht der Magistrat der Stadt Limburg in seinem Bericht zum Programm aktive Kernbereiche die elementare Zielsetzung.
Wörtlich heißt es hier:

Die Lokale Partnerschaft setzt sich aus örtlichen Akteuren zusammen. Durch deren Einbindung können unterschiedliche Interessen besser koordiniert, Eigeninitiative der Privaten geweckt und unterstützt sowie lokale Ressourcen gebündelt werden. So sind Unternehmen, Vereine und die Eigentümer von Immobilien einbezogen.

Aus dem zwingenden SOLL wird in Limburg ein KANN, alle in der Landeskonzeption aufgeführten Bürgergruppen werden kurzerhand gestrichen und der alles entscheidende Satz fällt ganz unter den Tisch:

Sie (die Gruppen der Lokalen Partnerschaft) haben die Aufgabe, die Programmumsetzung zu steuern.

In Limburg hingegen war und ist die Lokale Partnerschaft nicht Keimzelle und Motor des Programms, sondern alibiweise installierter Abnickverein, der seit 2009 gerade 15-mal zusammentraf, ohne dass den Auserwählten irgend eine Entscheidungsbefugnis zugestanden wurde.
Und wie kann man drei „Bauabschnitte“ betreuen und die Programmumsetzung steuern, wenn man gerade anderthalb Mal im Jahr zusammenkommt?
Die betreffende Elitegruppe soll darüber hinaus für alle örtlichen Bereiche zuständig sein, unabhängig davon, ob die Mitglieder überhaupt die geforderten Voraussetzungen erfüllen!

Der Neumarkt ist der letzte Abschnitt, dem nun Ungemach droht. Selbst wenn der Lokalen Partnerschaft die Rolle zugestanden würde, die das Land Hessen zwingend fordert, würde dies dem Neumarkt nicht zu Gute kommen.
Von einigen erwünscht: Ödnis
Die Zusammensetzung des 18-köpfige Alibigremium ist nämlich mehr als abenteuerlich.
Der Altstadtkreis, der mit der Neustadt absolut nichts zu tun hat, hat gleich zwei Sitze.
Dazu ist ein Unternehmer Mitglied, dessen geschäftliches Interesse weit außerhalb der betroffenen Bereiche liegt und dessen oberstes Ziel erwiesenermaßen in der SCHWÄCHUNG des Kernbereichs liegt.
Ein Geschäftsinhaber hat sein Unternehmen in der Werner-Senger-Straße.
Der Geschäftsführer eines Kaufhauses am gleichen Ort ist im Gremium.
Damit reduziert sich die Zahl der relevanten Mitglieder schon auf 13.
Von diesen 13 sind 7 (sieben) in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Verwaltung oder politischer Gremien in der Lokalen Partnerschaft, also Partei der Lokalpolitik.
Von den verbliebenen sechs gehören gleich 3 (drei) Mitglieder einer einzigen Organisation (City-Ring) an.
Es bleiben also drei Menschen von 18.
Einer ist ein Geschäftsinhaber am Rande des Neumarkts, dessen Interessen aber bereits durch seinen Geschäftsführer im City-Ring vertreten sind, einer Immobilienbesitzer mit Liegenschaft an einem unbekannten Ort und ein Immobilienverwalter für ein Anwesen am Neumarkt.
In der Limburger Lokalen Partnerschaft sind die Betroffenen vom Neumarkt also mit viel gutem Willen mit gerade einmal zwei Stimmen vertreten.
In einem Gremium, dem in grober Missachtung aller Richtlinien alle wesentlichen Entscheidungsbefugnisse vorenthalten werden.
Keinerlei Gehör finden bei den Plänen für den Neumarkt Anwohner, Gastwirte, Ärzte und Therapeuten mit Praxen dort, Patienten, Kulturelle Vereinigungen und Organisationen, konfessionelle Gruppen oder Vereine aus dem reichen Spektrum des lokalen Lebens. Schülervertreter der angrenzenden Schule sind genauso ausgeschlossen wie Marktbeschicker und Veranstalter, die den Neumarkt für periodische Events nutzen.
Ist es da ein Wunder, wenn urplötzlich ein „autofreier Neumarkt“ vom Himmel fällt und als beschlossene Sache verkauft wird, gegen die kein Widerstand mehr möglich ist?
Für die Grabenstraße ist es wohl zu spät, noch etwas zu erreichen.
Hier können maximal noch Details variierte werden.
Aber die Opfer vom Neumarkt haben noch eine Chance. Sie müssen sich nur organisieren, die Stimme erheben und ihre verbrieften Rechte einfordern.
Die Macher des Programms Aktive Kernbereiche Hessen ahnen nichts von den absurden Verhältnissen in Limburg. Dort muss man alles glauben, was die Verantwortlichen der Stadt erzählen. In Wiesbaden bekommt niemand mit, was wirklich geschieht. Wenn von Bürgerbeteiligung und Lokaler Partnerschaft geredet wird, dann ist das Land Hessen zufrieden. Überprüft werden die Behauptungen nicht.
Falls es gelingt, in Wiesbaden in großer Zahl und mit einer Stimme sprechend vorstellig zu werden, besteht noch eine Möglichkeit, dass das Programm Aktive Kernbereiche Hessen wenigstens für den Neumarkt genauso genutzt und umgesetzt wird, wie vorgesehen.
Es wäre am Ende in Limburg dann zwar nur in einem von vier Fällen gelungen. Doch der Neumarkt würde mit Abstand am meisten darunter leiden, wenn die Machthaber ihn zugunsten eines Einzelnen und seiner Unternehmung hinter dem Bahnhof noch weiter in die Bedeutungslosigkeit treten dürften.
Das Land Hessen stellt Geld zur Verfügung, damit die Betroffenen etwas für sich selbst tun können. Die Stadt Limburg greift es sich – und missbraucht es für Maßnahmen GEGEN die Interessen derer, denen es nützen soll.
Limburg, das ist wieder einmal Politik pervers. Wo sonst kann es geschehen, dass ein großartiges Programm, das für die Bürger, ihre Lebensqualität und ihre Identifikation mit ihrem Quartier gedacht ist, ins genaue Gegenteil verkehrt wird?

Wer sich darüber informieren möchte, was WIRKLICH hinter dem Programm Aktive Kernbereiche Hessen steht, kann dies hier tun: http://aktive.kernbereiche-hessen.de/profil-des-programms

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