Dienstag, 25. Juni 2013

Schatten des Terrors - Altstadtfest droht



Nun kommen sie wieder, die lustigen Tage voller Prosecco, kurzer Kleidchen und Tiefbass. Das Altstadtfest steht ins Haus, im wahrsten Sinne des Wortes. In den Orten des Landkreises und darüber hinaus hängen Plakate an den Laternenmasten, als gäbe es einen Termin zur Stimmabgabe. Doch es sind nur die Auswärtigen, die sich entscheiden können. Die Altstädter Limburgs hingegen haben keine Wahl.
Ruhe. Vor dem Ansturm
Es ist der Höhepunkt des alljährlichen Terrors, dem die Bewohner und Besitzer der Altstadthäuser am kommenden Wochenende ausgesetzt sind. Rundum-Beschallung aus monumentalen Lautsprechergebirgen wird wieder einmal die Gläser in den Schränken zum Klirren und die Dielen zum Beben bringen, vom frühen  Vormittag bis zur Geisterstunde, garnierte mit Gesangsdarbietungen, Johlen, hysterischem Kreischen, Gläsersplittern, dem einen oder anderen Freestyle-Kampf in Cagefighter-Manier, oft ausgefochten von den üblichen Verdächtigen, und im Hellen hinausposaunte Informationen über alles, was sich auf den Bühnen tut und was die Menschen drei Straßen weiter nie wissen wollten. Weit nach offiziellem Schluss der Bewirtung und Dröhnung dürfen die Ortsansässigen dann auch noch Reality ohne TV in Form von lautstark und alkoholisiert geführten Beziehungsdebatten, -anbahnungen, -ablehnungen und/oder beendigungen erleben. Bis in die frühen Morgenstunden.
Sie müssten doch stolz sein, auf die lebendige Altstadt, werden die Bewohner im Fall geäußerter Kritik durch die Initiatoren des Treibens zwangsverpflichtet. Und dankbar, dem veranstaltenden Veranstalter für die Veranstaltungen, die der Stadt doch erst so richtig ihr Flair und ihre Bedeutung geben, müssen sie hören und/oder lesen.
Dankbar wofür, könnte man sich da fragen.
Seine Ursprünge hat die Feier, so man Gerüchten glauben darf, in der Idee, ein Fest FÜR die Bewohner der Altstadt zu organisieren. Doch das ist inzwischen so lange her, dass es bereits in Geschichtsbüchern Erwähnung findet. Heute ist das Altstadtfest alles Mögliche, aber keine Veranstaltung FÜR die Altstädter.
Es ist eine hochkommerzielle, gut geschmierte Gelddruckmaschine, die dazu dient, möglichst viele Flüssigkeiten und Nahrungsmittel zum möglichst hohen Preis zu verkaufen. Zu diesem Zweck müssen möglichst viele Menschen innerhalb des begrenzten Zeitraums zu den Ständen gelockt und dazu gebracht werden, dort möglichst lange zu verweilen. Das wird durch lautstarke Darbietungen auf diversen Bühnen erreicht. Die Umsätze, die die Standinhaber und ortsansässigen Wirte verzeichnen, sind gewaltig. Dazu kommen auch jedes Jahr ein paar Saison-Pfandsammler, die sich das Urlaubsgeld (was ihnen gegönnt sei) für die ganze Familie dadurch verschaffen, dass sie zwischen den Bänken nach Pfandgeschirr suchen und die Stehtische der lokalen Selfmade-Men in weit offenen Seidenhemden und deren luftig beschürzter Begleitungen abräumen, um Platz für den Nachschub an Flöten voll perlender Getränke zu schaffen, denn wer sein Glas zurückbringt, hat verloren, der muss ja auf den Euro schauen…
Wirte und Sammler sind diejenigen, die ganz erheblich von der Veranstaltung des drohenden Wochenendes profitieren.
Absolutes Haltverbot. Herrscht dort immer...

Nicht so die Bewohner der Altstadt. Diese habe dafür die Last und die Schäden zu tragen. Für drei Tage wird ein vollständiger Stadtteil in Geiselhaft genommen, ohne dass es dafür seitens des Veranstalters auch nur die Andeutung eines Ausgleichs gäbe oder gar eine Geste der Dankbarkeit.
Das Gegenteil ist der Fall.
Der Radau, der den Aufenthalt in den anliegenden Häusern nahezu unmöglich macht, wurde bereits angesprochen. Doch es kommt ein weiterer, wesentlicher Aspekt hinzu. Wo der Mensch viel in sich hineinschüttet und schaufelt, muss er dies auch wieder loswerden – und je später der Abend, desto unzivilisierter tut er das. Die Limburger Altstadt bietet eine große Zahl von Nischen, Gängen, Ecken und Höfen, von denen die Besucher des Festes regelmäßig und hemmungslos Gebrauch machen. Da wird gegen Mülltonnen gepinkelt und in Ecken gekackt und gekotzt, wie es sich keine Katze trauen würde. Überall finden sich zerbrochene Gläser, Flaschen, Einmalteller und anderes bis hin zu Unterwäsche und benutzten… Latexteilen. Doch für die Beseitigung dieser Hinterlassenschaften fühlt sich der Veranstalter nicht zuständig. Denn es handelt sich ja – nun auf einmal – um Privatgrundstücke, die betroffen sind.
Es sind aber nicht nur die zivilisationfernen Reste der Verdauung und Vermehrung, die mehr als ärgerlich sind. Nach jedem Altstadtfest haben die Bewohner teils erhebliche Schäden an ihrem Eigentum zu beklagen. Scheiben werden eingeschlagen oder eingeworfen, Blumen werden aus den Kästen gerissen und verstreut, Verzierungen an Häusern abgebrochen oder gestohlen.
Noch blühen sie: designierte Opfer
Fragen Betroffene die Profiteure des Treibens nach einem Schadensausgleich, müssen sie erfahren, man sei nicht zuständig für das, was Gäste des Festes persönlich anrichten und man müsse sich an die Randalierer selbst halten. So man sie denn identifizieren kann.
Die Belange der Betroffenen sind den Veranstaltern mehr als gleichgültig. In zivilisierten Regionen versucht man, Menschen einzubinden und positiver zu stimmen, wenn man sie in Anspruch nehmen und belasten/belästigen will. Das wäre zum Beispiel in Limburg möglich, indem man für jeden Anwohner ein Gutscheinheft für Speis und Trank in einer angemessenen Höhe zur Verfügung stellen würde. Auf einen solchen Gedanken kommt man in der Lahn-Metropole aber nicht einmal.
Ganz im Gegenteil. In einer atemberaubenden Dreistigkeit maßt sich ein Verein die Polizeigewalt über den gesamten Stadtteil an – und verlangt von den Bewohnern des Altstadtzoos, dass sie sich für die drei Tage des Wochenendes auch noch mit einem Affenbändchen am Arm MARKIEREN.
Dabei ist die Sachlage genau so bekannt wie eindeutig. Doch geradezu komplizenschaftlich unternehmen der Veranstalter, Stadtverwaltung und Ordnungsbehörde ALLES, eine Verbreitung der Kenntnisse darüber zu verhindern, dass es absolut rechtswidrig ist, irgendjemandem zu irgendeinem Zeitpunkt am Betreten der Altstadt zu hindern. Oder dafür gar einen „Eintritt“ zu verlangen…

(wird fortgesetzt)

1 Kommentar:

  1. Nicht zu vergessen, sollte man versehentlich Freunde an diesem Termin zu sich eingeladen haben.

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