Ein Märchen: Hans-Peter war
einmal Straßenfeger. Zumindest hat er vor über 48 Jahren als solcher
angefangen. Heute heißt sein Beruf Fachkraft für Infrastrukturhygiene. Hans-Peter ist Fachkraft. Dazu musste er in den
letzten Jahren sieben Fortbildungskurse belegen und drei Zertifikate erwerben.
Er schwingt seinen Besen noch immer mit der gleichen Bewegung, die ihm vor mehr
als einem halben Menschenleben Alfred innerhalb einer Woche beigebracht hatte.
Aber Hans-Peter hat jetzt jede Menge Urkunden, auf denen steht, dass er es kann
und richtig macht. Hans-Peter wird in einem Jahr in Rente gehen. Die Stadt
braucht einen Nachfolger für ihn und hat ihn gefunden. Juri hat studiert.
Infrastrukturhygiene. Er hat einen Bachelor darin und wird im nächsten Jahr
seinen Master erwerben. Dann soll er Hans-Peters Job übernehmen und die Straße
so schön sauber fegen, wie dieser es seit bald 50 Jahren tut. Aber um dem
Straßenpflaster den Übergang von Hans-Peter zu Juri zu erleichtern, stellt
die Stadt Juri schon heute ein. Im kommenden Jahr wird Hans-Peter ihn dann
einweisen. Er wird ihm die besonders schmutzigen Ecken zeigen und wie man das
herumgewehte Papier aus den Buchsbüschen bekommt. Er wird ihm klarmachen, dass
für die Mülltonne an der Stadtkirche der Leerungsrhythmus bei weitem nicht
ausreicht und er diesen selbständig verdoppelt hat, weil sein Antrag von vor
sechs Jahren noch immer zur Beratung im Magistrat liegt. Wenn das Jahr um ist,
weiß Juri alles, was er wissen muss. Dann kann er alles, was er können
muss. Und er hat seinen Master, weil er nebenbei ja noch studiert. Sein volles
Gehalt und Urlaub hat er in den vergangenen 12 Monaten schon bekommen.
Hans-Peter wird einen Teller mit Stadtwappen
zur Verabschiedung erhalten und Juri einen neuen Besen. Vielleicht, wenn der
Antrag durchgeht. Und alle sind glücklich.
Ein Märchen?
Ja. Doch nur im Prinzip. Bei den
Straßenkehrern wird in Limburg ein solches Verfahren nicht eingeführt. Aber
folgen Haupt- und Finanzausschuss und Stadtverordnetenversammlung der Vorlage
des Magistrats, dann soll es in Zukunft für die Stellen von Behördenleitern
bzw. Beamten im technischen Bereich genau so etwas geben.
Der Magistrat will sich
ermächtigen lassen, für Stellen, deren Inhaber innerhalb des jeweils nächsten
Jahres in Rente gehen, für 12 Monate (!!!) eine Doppelbesetzung durchzuführen.
In den nächsten 10 Jahren werden
insgesamt 83 Mitarbeiter in den betreffenden Positionen ausscheiden. Das
bedeutet, dass für die kommenden 10 Jahre im Schnitt für 8 leitende Stellen das DOPPELTE an Personalkosten entstehen soll! Hier geht es um Summen im mittleren,
sechsstelligen Bereich, die der Bürger aufbringen muss für… ja, für was
eigentlich?
Wie verwalten? Akademische Herausforderung. |
Wenn in der freien Wirtschaft
eine Stelle zu besetzen ist, wird ein gemäß der Ausschreibung qualifizierter
Bewerber genommen, von dem nach kürzester Einarbeitungszeit erwartet wird, dass
er dann seinen Job ausfüllt und beherrscht. Welches Unternehmen kann es sich
leisten, irgendwen irgendwo hinzusetzen, damit er erst einmal ein Jahr lang
zuschaut, wie es sein Vorgänger jahrzehntelang (und sicher nicht immer effektiv…)
gemacht hat?!
In Limburg soll genau das
geschehen. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um Quantenphysik. Es geht um
Verwaltungs(un)wesen. Die Ausschreibungen werden die Anforderungen an den
Bewerber ganz sicher wie vorgeschrieben vollständig offenlegen. Wer es dann
nach der Einstellung nicht schafft, innerhalb weniger Wochen seinen Job in den
Griff zu bekommen, ist ganz einfach dafür nicht qualifiziert!
Oder, ganz klar in deutscher
Prosa: Was für eine Sorte akademischer Vollpfosten sucht die Stadt Limburg
eigentlich, wenn sie davon ausgeht, dass die Neuen ein Jahr lang (12 Monate =
365 Tage) brauchen werden, um ihren Schreibtisch und das Päckchen mit den
Büroklammern zu finden?!
Wer immer den Sessel im Hauptbüro
des Rathauses in Zukunft besetzen wird: Sein Vorgänger ist gerade dabei, ihm
ein Erbe zu bereiten, das Limburg in Sachen Personalwesen und vor allem –kosten
ein volles Jahrzehnt lähmen wird.
Hoffentlich hat wenigstens das
eine oder andere Ausschussmitglied einmal wirklich in die Vorlage geschaut und
den Tischrechner bemüht. Selbständig, denn konkrete ZAHLEN (neben denen
bezüglich der zukünftigen Rentner) enthält das Papier keine.
Aber es steht zu befürchten, dass
der Haupt- und Finanzausschuss wieder einmal den üblichen Abnickverein für
bürgermeisterliche Vorlagen geben wird und Nachfrager ignoriert bzw.
niedergebrüllt werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen