Vor einigen Jahren feierte ein
(hauptsächlich) Fußballverein Limburgs sein hundertjähriges Bestehen. Als ganz
großes Highlight wurde die Teilnahme des DFB Präsidenten angekündigt, exklusiv
vermittelt durch einen Mann in Diensten des Balltreterbundes, der sonst für die
Farbe der Tischtennisplatten im Nationalmannschaftshotel und die Härte der
Matratzen zuständig war. Aber er hatte das geneigte Ohr des Herrschers und
konnte den Auftritt vermitteln. Groß war die Überraschung, als Dr. Theo Z. auch
an den Folgetagen zum fröhlichen Mitfeiern auf dem Sportgelände auftauchte. Man
klopfte sich stolz auf die Schultern und betrachtete es als besondere Ehre,
dass es dem Präsidenten bei dem kleinen Amateurverein im Niedergang so gut
gefiel.
In den Folgejahren hätte sich diese
Einschätzung relativiert, hätte jemand genau hingesehen und darüber
nachgedacht. Der präsidiale Besuch war keine
Ausnahme gewesen. Er war die Regel.
Kleine Begeisterung, feierlich-dörflich |
Getreu dem Motto „keine Feier
ohne Meier“ zeigte sich der Doktor der Rechte auf praktisch jeder
Jubiläumsveranstaltung der näheren und weiteren Umgebung. Kein Dorfverein,
dessen Einladung er ausgeschlagen hätte. Es war überhaupt nicht schwer, Dr.
Theo Z. zu kriegen. Man konnte ihn kaum vermeiden. Es hatte seinen Grund, dass der
nominelle DFB Präsident in den Niederungen des Fußballs omnipräsent war. Bei
den Profis wollte ihn nämlich nach Möglichkeit niemand sehen.
Er wohnt um die Ecke in der
Nachbargemeinde und er ist in Limburg zur Schule gegangen. Von daher ist er
durchaus ein Limburger Thema. Er ist sozusagen Familie. Leider. Denn er gehört
zu der peinlichen Verwandtschaft.
Aktuell ist er ein letztes Mal
mit einem kurzen Bericht in den Schlagzeilen, weil er die UEFA brüskiert, indem
er nicht einmal seiner eigenen Verabschiedung beiwohnt. Man schüttelt den Kopf,
stöhnt und atmet gleichzeitig erleichtert auf, dass man nun auch in
Fußballeuropa mit dem Mann nichts mehr zu tun hat.
Er war der Vorgänger des aktuellen
Präsidenten, dessen spröden Steuerprüfercharme man sicher nicht mögen muss.
Aber die kalte, technokratische Herangehensweise (nebst der als erstes
gesicherten Selbstversorgung für sein „Ehrenamt“…) dokumentiert nur, was der
einstige Sport heute ist: Das entmenschlichte Wirtschaftsunternehmen
Fußballdeutschland.
Dr. Theo Z. war anders. Als
Möchtegern-Patriarch der 50er-Jahre-Mittelkreis-Hipp-hipp-hurrah-Schule war er
zu 100 % merkbefreit, was die Vorgänge der modernen Sportökonomie betraf. Und
er war so gestrickt, dass er einfach nicht in der Lage war zu erkennen, dass er
lediglich die Reihe der höchstpeinlichen DFB-Präsidenten fortsetzte, denen nur
die Rolle eines Grüß-Augusts zugedacht war. Die Strippen zogen im Hintergrund ganz
andere.
Große Begeisterung, städtisch |
Aber Dr. Theo Z. glaubte fest
daran, dass man ihn wegen seiner überragenden Sachkenntnis und
Führungsqualitäten in dieses Amt gehoben hätte – und erklärte alles zur
Chefsache. Mit verheerenden Folgen. Das Gedächtnis des Fußballfans an sich ist
sehr kurz, denn er giert ja immer nach der nächsten Meisterschaft. Doch man wird sich immer daran erinnern, dass der Weg durch die
Präsidialzeit des Theo Z. mit Katastrophen gepflastert war. Ob es der große
Bestechungsskandal war, Gezerre um Vertragsverlängerungen mit dem Bundestrainer
oder die Affäre (die sich kein noch so fantasiebegabter Autor auszudenken
gewagt hätte) in der ein Schiedsrichterverantwortlicher seine Unterlinge nach
ihren körperlichen Vorzügen und ihrer Willigkeit aussuchte und sie bis in die
Bundesliga lobte, immer stand der Präsident mit seinen Wortmeldungen und
Stellungnahmen in der ersten Reihe. Lange BEVOR irgendjemand wusste, was
wirklich Sache war, schwätzte Opa drauflos. Innerhalb des Hauses trieb er die
Presseabteilung in den Wahnsinn und entmachtete einen Top-Profi für
Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation. Um dann mit tölpelhafter
aufgesetzter Selbstsicherheit in jeden Fettnapf zu platschen, der herumstand.
Oder auch weit entfernt. Dann machte Theo Z. einen Umweg. Aber er fand ihn.
Er war wichtig. Wirklich wichtig.
Dachte er. Und es gab kein Thema, zu dem er nicht eine (von Tatsachen und
Erkenntnissen Sachkundiger unbeleckte) Meinung hatte. Oft genug war diese
tagesaktuell das Gegenteil dessen, was er die Woche zuvor in ein anderes
Mikrofon gestammelt hatte.
Bis zu seiner Demission konnte
ihn nichts und niemand davon überzeugen, dass er seine realen Fähigkeiten völlig
falsch einschätzte. Ein kleiner Hofstaat von Speicherleckern in seinem großen Schatten
genügte ihm, um ihn in seiner Gottgleichheit und Unfehlbarkeit zu bestätigen.
Der ganze Verband atmete nach
seiner Demission auf. Zu früh gefreut. Praktisch sofort begann der Allwissende
nun, heftig nachzutreten. Er schrieb ein Buch, das seine ganz eigene Sicht der
Dinge zeigen sollte – und keinen interessierte es. Er wäre so gerne durch alle
Talkshows gewandert um opaesk den Enkelchen Fußball und die Welt zu erklären –
aber niemand bot ihm einen Stuhl an.
Kein Mensch in einer
Führungsposition im deutschen Fußball lud ihn zu irgendeiner Veranstaltung ein.
Der Ex-Präsident war gekränkt und keilte beleidigt aus. Immer wieder – und erntete
am Ende nur leicht genervte Reaktionen. Wie sagte auf Nachfrage ein Vorstand
eines DFL Teams? „Niemand von uns weiß, was Theo Z. denkt. Weil niemand von uns mit ihm
redet.“
Es kann einer Organisation nichts
mehr schaden, als wenn jemand, der als Front-Marionette vorgesehen war, die
Fäden durchschneidet, ungesteuert lostappst und denkt, er müsse tatsächlich den
Anführer geben. Jede „Chefsache“ wird dann sehr schnell zum Horrorszenario. Insofern
schließt sich der Kreis zum Anfang dieses Artikels. Auch der ungenannte Jubiläumsverein hatte seinen Grüß-August gefunden, der dann dummerweise glaubte,
er sei der Boss. Nachdem er den Verein Jahre in seiner umfassenden
Ahnungslosigkeit konsequent in den Abgrund geführt und mit seinen peinlichen
Auftritten und Verlautbarungen lächerlich gemacht hatte, wurde ihm groteskerweise
nach seinem lange überfälligen Rücktritt die Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Das wird Dr. Theo Z. beim DFB
sicher nicht passieren. Und er wird ganz sicher auch nicht Ehrenpräsident. Der
Jurist konnte dem DFB nicht langfristig schaden. Obwohl er alles unternommen
hat, das zu erreichen. Nun ist er seinen letzten, offiziellen Posten los. Hoffentlich,
hoffentlich hört man jetzt nie wieder von ihm, dem Peinlichsten unter unseren
peinlichen Verwandten.
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