Dienstag, 24. März 2015

Zum Fußball: Die peinliche Verwandtschaft



Vor einigen Jahren feierte ein (hauptsächlich) Fußballverein Limburgs sein hundertjähriges Bestehen. Als ganz großes Highlight wurde die Teilnahme des DFB Präsidenten angekündigt, exklusiv vermittelt durch einen Mann in Diensten des Balltreterbundes, der sonst für die Farbe der Tischtennisplatten im Nationalmannschaftshotel und die Härte der Matratzen zuständig war. Aber er hatte das geneigte Ohr des Herrschers und konnte den Auftritt vermitteln. Groß war die Überraschung, als Dr. Theo Z. auch an den Folgetagen zum fröhlichen Mitfeiern auf dem Sportgelände auftauchte. Man klopfte sich stolz auf die Schultern und betrachtete es als besondere Ehre, dass es dem Präsidenten bei dem kleinen Amateurverein im Niedergang so gut gefiel.
In den Folgejahren hätte sich diese Einschätzung relativiert, hätte jemand genau hingesehen und darüber nachgedacht. Der präsidiale Besuch war keine Ausnahme gewesen. Er war die Regel.
Kleine Begeisterung, feierlich-dörflich
Getreu dem Motto „keine Feier ohne Meier“ zeigte sich der Doktor der Rechte auf praktisch jeder Jubiläumsveranstaltung der näheren und weiteren Umgebung. Kein Dorfverein, dessen Einladung er ausgeschlagen hätte. Es war überhaupt nicht schwer, Dr. Theo Z. zu kriegen. Man konnte ihn kaum vermeiden. Es hatte seinen Grund, dass der nominelle DFB Präsident in den Niederungen des Fußballs omnipräsent war. Bei den Profis wollte ihn nämlich nach Möglichkeit niemand sehen.
Er wohnt um die Ecke in der Nachbargemeinde und er ist in Limburg zur Schule gegangen. Von daher ist er durchaus ein Limburger Thema. Er ist sozusagen Familie. Leider. Denn er gehört zu der peinlichen Verwandtschaft.
Aktuell ist er ein letztes Mal mit einem kurzen Bericht in den Schlagzeilen, weil er die UEFA brüskiert, indem er nicht einmal seiner eigenen Verabschiedung beiwohnt. Man schüttelt den Kopf, stöhnt und atmet gleichzeitig erleichtert auf, dass man nun auch in Fußballeuropa mit dem Mann nichts mehr zu tun hat.
Er war der Vorgänger des aktuellen Präsidenten, dessen spröden Steuerprüfercharme man sicher nicht mögen muss. Aber die kalte, technokratische Herangehensweise (nebst der als erstes gesicherten Selbstversorgung für sein „Ehrenamt“…) dokumentiert nur, was der einstige Sport heute ist: Das entmenschlichte Wirtschaftsunternehmen Fußballdeutschland.
Dr. Theo Z. war anders. Als Möchtegern-Patriarch der 50er-Jahre-Mittelkreis-Hipp-hipp-hurrah-Schule war er zu 100 % merkbefreit, was die Vorgänge der modernen Sportökonomie betraf. Und er war so gestrickt, dass er einfach nicht in der Lage war zu erkennen, dass er lediglich die Reihe der höchstpeinlichen DFB-Präsidenten fortsetzte, denen nur die Rolle eines Grüß-Augusts zugedacht war. Die Strippen zogen im Hintergrund ganz andere.
Große Begeisterung, städtisch
Aber Dr. Theo Z. glaubte fest daran, dass man ihn wegen seiner überragenden Sachkenntnis und Führungsqualitäten in dieses Amt gehoben hätte – und erklärte alles zur Chefsache. Mit verheerenden Folgen. Das Gedächtnis des Fußballfans an sich ist sehr kurz, denn er giert ja immer nach der nächsten Meisterschaft. Doch man wird sich immer daran erinnern, dass der Weg durch die Präsidialzeit des Theo Z. mit Katastrophen gepflastert war. Ob es der große Bestechungsskandal war, Gezerre um Vertragsverlängerungen mit dem Bundestrainer oder die Affäre (die sich kein noch so fantasiebegabter Autor auszudenken gewagt hätte) in der ein Schiedsrichterverantwortlicher seine Unterlinge nach ihren körperlichen Vorzügen und ihrer Willigkeit aussuchte und sie bis in die Bundesliga lobte, immer stand der Präsident mit seinen Wortmeldungen und Stellungnahmen in der ersten Reihe. Lange BEVOR irgendjemand wusste, was wirklich Sache war, schwätzte Opa drauflos. Innerhalb des Hauses trieb er die Presseabteilung in den Wahnsinn und entmachtete einen Top-Profi für Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation. Um dann mit tölpelhafter aufgesetzter Selbstsicherheit in jeden Fettnapf zu platschen, der herumstand. Oder auch weit entfernt. Dann machte Theo Z. einen Umweg. Aber er fand ihn.
Er war wichtig. Wirklich wichtig. Dachte er. Und es gab kein Thema, zu dem er nicht eine (von Tatsachen und Erkenntnissen Sachkundiger unbeleckte) Meinung hatte. Oft genug war diese tagesaktuell das Gegenteil dessen, was er die Woche zuvor in ein anderes Mikrofon gestammelt hatte.
Bis zu seiner Demission konnte ihn nichts und niemand davon überzeugen, dass er seine realen Fähigkeiten völlig falsch einschätzte. Ein kleiner Hofstaat von Speicherleckern in seinem großen Schatten genügte ihm, um ihn in seiner Gottgleichheit und Unfehlbarkeit zu bestätigen.
Der ganze Verband atmete nach seiner Demission auf. Zu früh gefreut. Praktisch sofort begann der Allwissende nun, heftig nachzutreten. Er schrieb ein Buch, das seine ganz eigene Sicht der Dinge zeigen sollte – und keinen interessierte es. Er wäre so gerne durch alle Talkshows gewandert um opaesk den Enkelchen Fußball und die Welt zu erklären – aber niemand bot ihm einen Stuhl an.
Kein Mensch in einer Führungsposition im deutschen Fußball lud ihn zu irgendeiner Veranstaltung ein. Der Ex-Präsident war gekränkt und keilte beleidigt aus. Immer wieder – und erntete am Ende nur leicht genervte Reaktionen. Wie sagte auf Nachfrage ein Vorstand eines DFL Teams? „Niemand von uns weiß, was Theo Z. denkt. Weil niemand von uns mit ihm redet.“
Es kann einer Organisation nichts mehr schaden, als wenn jemand, der als Front-Marionette vorgesehen war, die Fäden durchschneidet, ungesteuert lostappst und denkt, er müsse tatsächlich den Anführer geben. Jede „Chefsache“ wird dann sehr schnell zum Horrorszenario. Insofern schließt sich der Kreis zum Anfang dieses Artikels. Auch der ungenannte Jubiläumsverein hatte seinen Grüß-August gefunden, der dann dummerweise glaubte, er sei der Boss. Nachdem er den Verein Jahre in seiner umfassenden Ahnungslosigkeit konsequent in den Abgrund geführt und mit seinen peinlichen Auftritten und Verlautbarungen lächerlich gemacht hatte, wurde ihm groteskerweise nach seinem lange überfälligen Rücktritt die Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Das wird Dr. Theo Z. beim DFB sicher nicht passieren. Und er wird ganz sicher auch nicht Ehrenpräsident. Der Jurist konnte dem DFB nicht langfristig schaden. Obwohl er alles unternommen hat, das zu erreichen. Nun ist er seinen letzten, offiziellen Posten los. Hoffentlich, hoffentlich hört man jetzt nie wieder von ihm, dem Peinlichsten unter unseren peinlichen Verwandten.

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