Mittwoch, 24. Juli 2013

Die Mechanik der Altstadt



Als Journalist, der in Limburg versucht, seinem Beruf nachzugehen, hat man es sicher nicht leicht. Zumindest dann nicht, wenn man sich nicht nur als Verbreiter politischer, amtlicher oder kirchlicher Verlautbarungen sieht und redaktionelle Arbeit nicht ausschließlich als Korrektur der peinlichsten Fehler und Formulierungsexzesse versteht.
Es passiert selten, dass sich ambitioniertere Reporter ganz klar äußern, wenn sie wieder einmal in das in diesem Ort zwischen Taunus und Westerwald herrschenden Gestrüpp aus Halbwahrheiten, Desinformation, Mauern, Verschweigen und oft genug schlicht platten Lügen geraten sind und von allen Seiten Dornen an ihnen zerren.
Doch diese Woche ist es einmal geschehen. In einem Kommentar lässt ein Lokaljournalist endlich einmal seiner Wut über dieses ständige Gemauschel in Hinterzimmern/Ausschüssen/Kneipen/Weinkellern freien Lauf, das immer in völlig sinnfrei und in ihrer Herkunft ungeklärte Entscheidungen ohne jede parlamentarisch-politische Legitimation mündet.
Worum ging es?
Um eines der neueren, größeren Wunder, mit dem uns die Stadtregierung zu beglücken gedachte. Vor einem Jahr erfuhr die staunende Öffentlichkeit, dass Limburg nicht nur etwas, das sich „Mechanikum“ nannte bräuchte, sondern auch bekäme. Niemand konnte so wirklich sagen, worum es eigentlich dabei ging und was ausgerechnet Limburg zu einem prädestinierten Standort für ein obskures, interaktives Technikhalbmuseum machte. Nur eines war wichtig und wurde herausgestellt. Es sollte EU Fördermittel dafür geben – und das ist, wie bereits mehrfach erwähnt, der Zeitpunkt, an dem in Limburg offenbar jeglicher Verstand aussetzt. Sobald Beute in Form fremder, öffentlicher Mittel ins Sicht ist, muss diese gerissen werden, koste es was es wolle. Und seien es Millionen an Steuergeldern.
Mit Sicherheit waren genau diese in dem Businessplan des Initiators enthaltenen Fördermittel der Hauptbeweggrund, dem Projekt „Mechanikum“ überhaupt näherzutreten. 
Dem Projekt. Nicht dem Ideengeber. Immerhin sind wir ja bekanntlich in Limburg und dort lautet das Motto in Bezug auf jeden Einfall, der an verantwortliche Stellen herangetragen wird: Bräuchten wir es, hätten wir es schon. Intelligent sind wir selber.
Altstadtmechanik: Uhr, kaputt
Es folgte also das, was in solchen Fällen meistens passiert. Es bestand die Gefahr, dass die falschen Leute das Geld verdienten, also musste der Vorschlagende verschwinden. Der Initiator wurde locker ausgebootet und nicht nur das. Es gab einen teuren Rechtsstreit um den Namen des Projektes, den die Stadt dann gewann, wie sie stolz verkündete. Sie war Besitzer des großen Wortes „Mechanikum“. Jedenfalls bis zur Berufung des sich betrogen Fühlenden. Und bis zur letzten Stadtverordnetenversammlung.
Bei der ereignete sich nun das, was betreffenden Journalisten diesmal zur Weißglut und zu klaren Worten trieb. Auf einmal war alles anders. Ganz und gar anders – und wieder einmal konnten weder Bürgermeister noch Magistrat auch nur eine einzige Frage beantworten, wie in aller Welt es zu den verkündeten, mehrfachen Kehrtwendungen gekommen war.
Die frohe Botschaft war: Das Mechanikum ist tot. Es lebe das ZeitWerk! Was das sein sollte, konnte niemand wirklich sagen, nur, dass es wohl ein paar Ausschüsse und Gutachten (möglichst externer Natur) bräuchte um festzustellen und festzulegen, worum es überhaupt gehen soll! Das wiederum sollte aber niemanden daran hindern, schon mal mit dem Bau anzufangen, im kommenden Frühjahr.  Gemäß dem Motto: Wir haben absolut keine Ahnung, wohin wir wollen und wo der Weg entlangführt, aber wir laufen jetzt mal los, dann haben wir schon eine Strecke hinter uns, wenn wir es irgendwann einmal wissen. Oder besser: falls.
Altstadtmechanik: Klappe, manuell
Nur eine einzige Sache konnte als gesichert verkündet werden. Es würde alles teurer als geplant. Viel teurer. Welch eine Überraschung. Kleinere Anflüge von Auskunftsersuchen wurden auf die bekannt arrogante Art beiseite gewedelt wie lästige Fliegen und die Verantwortlichen griffen, als ihnen überhaupt nichts mehr einfiel, ganz tief in die Mottenkiste der Verlautbarungsphrasen. Aus dem Hut gezogen wurden die wunderbaren Begriffe „Beteiligung der Bürger“ (die handverlesenen, üblichen Verdächtigen), „Beteiligung von Firmen“ (die genauso üblichen Verdächtigen aus der großen, finanzstarken und der kleinen, sich umso wichtiger fühlenden Kaufmanns- und Krämervereinigung), Integration der Neustadt (nun ja, die WerkStadt liegt nun mal in der Neustadt…) sowie Integration der Altstadt.
Aha. Die Altstadt. Integriert in ein Museum für iwmM (irgendwas mit Mechanik). Wie übersetzt man das? Was ist da geplant? Wird es ein Modell des Doms geben, in dem auf Knopfdruck die Glöckchen läuten? Oder eines des neuen Bischofspalast, bei dem sich auf Kommando die Überwachungskameras bewegen? Mechanik in der Altstadt? Wie darf man das verstehen? In die WerkStadt lässt sich die Altstadt wohl kaum verlegen, so gerne das Entscheidungsträger hätten. Wie integriert man aber eine Altstadt, in der das mechanischste die Türklinken an den Häusern sind? Geht es denn überhaupt noch sinnfreier?
Ja. Es geht. Die kabarettistisch hochwertigste Verlautbarung war in der betreffenden Sitzung die, dass das Kulturamt der Stadt den Betrieb dieses Wasauchimmers übernehmen und organisieren soll.
Altstadtmechanik: Rad, stationär
Also genau die Stelle, die sich nicht in der Lage sah, ein MUSEUM für moderne Kunst, mit eindeutigem Programm, Exponaten, Zielgruppen, Werbekonzeption UND Finanzierung zu betreiben, das jemand der Stadt SCHENKEN wollte!
Sensationell. Oder: Limburg eben.
Der ursprüngliche Initiator des verstorbenen Mechanikums hat sich auch zu Wort gemeldet und seine Bedenken geäußert. Es gab ein klares Konzept, auf dessen Basis Fördermittel zugesagt wurden. Dieses Konzept wurde nun durch – gar keins abgelöst. Für keine Ahnung gibt nicht einmal die EU Geld. Normalerweise.
Die Stadt Limburg weiß nicht, was sie in dem sogenannten „Zeitwerk“ veranstalten will. Sie weiß auch nicht, für welche Zielgruppen es vorgesehen ist. Kein Mensch hat eine Ahnung, wieviele der Besucher, von denen man nicht weiß, warum sie kommen sollten, dort erscheinen werden, wie sie das verkehrsungünstig gelegene Gelände erreichen und wo sie parken werden. Sollen. Und so.
Wer all diese atemberaubenden Änderungen eines einmal gefassten Beschlusses veranlasst hat und verantwortet, dazu gab es – Überraschung – keinerlei  Aussage. Nur die mit der Arroganz der Macht vorgetragene Kurzinformation, dass es nun eben so sei. Basta.
Es gab Fragen, Fragen, Fragen – und keine Antwort.
Kein Wunder, wenn einem ernsthaften Journalisten da einmal der Kragen platzt.
Unsere werten Stadtväter und Mütter sind gerade dabei, mal wieder ein Millionengrab am alten Bahnausbesserungswerk zu buddeln, das nicht einem einzigen Limburger (na gut, abgesehen von den üblichen Verdächtigen im Architektur- und Baugewerbe, die ja bedacht werden müssen - man kennt sich - man hilft sich...) irgendetwas bringt.
Es gibt nur eine einzige gute Nachricht in diesem neuen, hausgemachten  Debakel. Was immer dort an den Gleisen gebaut wird, es ist nicht für die ausschließliche und kostenfreie Nutzung durch die katholische Kirche vorgesehen.
Oder soll ich vielleicht besser sagen: noch nicht?

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