Montag, 29. Juli 2013

Die ärmeren Verwandten



Ab und zu lohnt sich ein Blick über den eigenen Gartenzaun, wenn man gerade dabei ist, sich selbst wegen der Schnecken im Salat zu sehr zu bedauern. Bisweilen sieht man dann nämlich, dass beim Nachbarn die Heuschrecken wüten. Der Mensch in der Limburger Altstadt braucht das Auge gar nicht so weit schweifen zu lassen. Es reicht vollkommen, einmal über die Grabenstraße zu sehen, die die Altstadt von der Neustadt trennt. 
Der Altstadtzooinsasse muss sich ganz sicher oft genug als minderwertiges Wesen empfinden, dem von realen und selbsternannten Machthabern ein Gutteil der Bürgerrechte kurzerhand entzogen wurde. 
Wer am Neumarkt wohnt, der hat jedoch richtig verloren. 
Haust der Altstädter noch wenigstens in einem attraktiven Ambiente, findet sich der Neumarktanrainer in einem Sammelsurium feuchter Träume der Betongießerfraktion der Siebziger wieder. Doch die abgrundtiefe Häßlichkeit, die nur von vereinzelten historischen Bauten aufgelockert wird, ist nicht das Kardinalproblem. Der Neumarkt als größter Platz der Innenstadt wird nämlich so exzessiv kommerziell und für andere Veranstaltungen genutzt, wie es in zivilisierten Gegenden eigentlich nur in einem reinen Gewerbegebiet statthaft ist. Doch genau DAS ist die Neustadt eben nicht. Auch dort wohnen Menschen, also diese so leicht zu übersehenden Weichziele kommunaler Maßnahmen und Entscheidungen. Nur interessieren die noch weniger als die Altstadtbewohner.
Steht. Noch oder schon wieder?
Es war wohl nicht zuletzt der Dom-Zoo-Blog, der einen mehr als leidgeprüften Anwohner des Neumarktes dazu animierte, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Was Unbefangene unter http://limburgneumarkt.blogspot.de lesen müssen, ist mehr als hart. Gegen die Sorgen und Nöte der Neumarktanwohner jammert der Altstädter tatsächlich auf hohem Niveau. Bevor aber jetzt alle Abwiegler und behördlich-politischen Schön- und Kleinredner aufspringen und triumphierend johlen „Haben wir doch gesagt!“: Die Behandlung der Altstädter Limburgs ist nach wie vor ignorant, überheblich und vielfach gegen Recht und Gesetz. 
Wir bauen für... Ja, für wen?
Was die Anwohner des Neumarkts jedoch täglich erdulden müssen, ist einfach nur kriminell. Das Recht auf Ruhe und Schlaf ist für die umliegenden Häuser beispielsweise offenbar vollständig gestrichen worden. Nicht nur bei den Baumaßnahmen für das kommunale Kaugummi-Museum („neues Pflaster“) sowie Warenhäuser schert man sich einen Dreck um Lärmschutzverordnungen und Tageszeiten. Auch die exzessive Frequenz von Veranstaltungen auf dem Platz bereitet den Anwohnern im Wochenrhythmus mehr als schlaflose Nächte. Dabei werden die verzweifelten Bürger dort von Polizei, Bau- und Ordnungsamt kalt lächelnd alleine gelassen. In kafkaesker Manier schickt man diejenigen, die sich gegen den Terror zur Wehr setzen wollen, von Pontius zu Pilatus und zurück und einjeder Schreibtischbesitzer weiß nur immer ganz genau, wofür er NICHT zuständig ist. Vor allem nicht jetzt. Und außerdem ist jetzt Feierabend. Oder Wochenende.
Wir wünschen den armen Nachbarn jenseits des Grabens das Beste, Energie und Stehvermögen im Kampf um ihre Bürgerrechte und ihre körperliche Unversehrtheit!
Zumindest in Gedanken sind wir bei Euch.
Und kämpfen unsere eigenen Kämpfe weiter. Dass es anderen noch schlechter geht, bedeutet nämlich noch lange nicht, dass man sich dankbar mit der durch Dritte verursachten, eigenen miesen Lage abfinden muss.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für die Solidarität mit den lärmgeplagten Bewohnern des Neumarktes. Langsam werden es immer mehr, die sich mit dem Ignoranzgebaren unserer Limburger Behörden nicht mehr abfinden wollen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Bewohner des Neumarktes oder der Altstadt. Wünschen wir uns weiterhin viel Ausdauer, vor allem Gesundheit und Kraft, dass unsere gemeinsamen Probleme von den Ämtern und Dienstellen doch noch gehört und berücksichtigt werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt....

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